Gerade höre ich auf Byte.fm Klaus Walters wunderbare (lies: die Welt zu einem schöneren Ort machende) Sendung Was ist Musik. Es läuft Why (The King of Love Is Dead) von Nina Simone, und es ist schwierig, gleichzeitig etwas Vernünftiges aufzuschreiben. Vielleicht wird docfish ja eines Tages über diesen Song schreiben, hier auf The Wayward Cloud, wo er ab sofort über schwarze Populärkultur in Ton und Bild und vielleicht auch etwas zur Synchronisationskunst von Rainer Brandt schreiben wird. Den Anfang macht seine Serie von und über Radio Commercials für Blaxploitation-Filme der 70er Jahre, die durch göttliche Fügung in seine Hände gelangt sind. Stop, look and listen!
Willkommen docfish!
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In den 90er Jahren fuhr ich regelmäßig mit einem Freund in die USA, um Schallplatten zu kaufen. Genauer gesagt, Soul & Funk 45s hatten es uns angetan. Wir klapperten Städte im Mietwagen ab und fragten uns durch, bis wir Privatpersonen oder Plattenläden gefunden hatten, die uns das Zeug verkauften, und schwer beladen fuhren wir nach ein paar Wochen wieder nach Hause. Unseren vielleicht größten Fund hatten wir in Jackson im Bundesstaat Mississippi. Nachdem wir dem freundlichen Ehepaar, das einen Afroshop betrieb, erklärten, dass wir das Auto nicht, wie sie annahmen, im Flugzeug mitgenommen, sondern gemietet hatten, gaben sie uns den Tipp: "Ein paar Blocks weiter ist ein Plattenladen."
Wir also hin, ein großer bärtiger Mann saß gelangweilt hinterm Tresen. Wir fragten nach 45s, er darauf: "Wie viel wollt Ihr kaufen?" Wir: "So viele wie möglich." Daraufhin schmiss er drei Jungs aus dem Laden, schloss ab und forderte uns auf, ihm zu folgen. Hinter seinem Pick-up-Truck rasten wir durch die Stadt und endeten in einer düsteren Gegend vor einem Gebäude, das aussah wie eine Turnhalle. Natodraht war um den Eingang gewickelt, und Mr. James Bennett, unser Gönner, schloss die Tür auf und bog den gestachelten Einbruchsschutz zur Seite. Drinnen sah es aus, als ob eine Bombe eingeschlagen war. Dreck, Papierkram und Schallplatten – in unvorstellbaren Mengen.
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Hollywood bestimmte in den 60er Jahren die mediale Präsenz afroamerikanischer Schauspieler. Sidney Poitier war der einzige Schwarze, der sich mit Hauptrollen als Star etablieren konnte. Er schuf mit seinen Rollen einen neuen Stereotyp mit alten Wurzeln, den des "schwarzen Heiligen", der dem weißen Mann half, seine Probleme zu lösen, um mit einem Schulterklopfen und dem Aufstieg in die Mittelschicht entlohnt zu werden.
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Die beiden Filme, die den Erfolg von Sweetback konsolidieren sollten waren Shaft (1971) und Superfly (1972). Der Privatdetektiv Shaft war eine Art One-Man-Army, der James Bond für die schwarzen Kids. Superflys Youngblood Priest war dagegen ein Drogendealer, ein Pusher, der sich in den Straßen behauptete, um zu überleben. Youngblood Priest geht als Sieger gegen den weißen Mob hervor und kommt mit heiler Haut, einem Haufen Dollars und seiner Freundin davon, wärend Shaft sich als Großmaul und omnipotenter Lover gegen weiße Cops und korrupte Bandenbosse durchsetzt. Beide Filme sind eher im Gedächtnis geblieben wegen des Jive-Talks ihrer Protagonisten, der Sex-, Gewalt- und Actionszenen und wegen ihrer famosen Soundtracks von Curtis Mayfield bzw. Isaac Hayes. Nichtsdestoweniger waren es Kassenerfolge, und Hollywood legte nach.
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Griers Bruder, der geniale Antonio Fargas (der später als Huggy Bear in Starsky & Hutch berühmt werden sollte) hält in dem Film eine von James Baldwin adaptierte Rede über das "Schwarzsein in Amerika", die, wenn ich mich recht erinnere, in der deutschen Fassung fehlt. Die ist dafür unglaublich komisch, wofür sich das geniale Synchronisationsbüro Rainer Brandt verantwortlich zeigt. (Als ein Paar sich anschickt, Sex zu haben, wird das mit "Na dann, Wasser Marsch" und "Trübsal ist nicht alles, was geblasen werden kann" kommentiert!) Ansonsten wird in dem Film munter Kokain geschnupft, lesbische Sexszenen fehlen auch nicht, Trash as trash can – einfach großes unterhaltsames Kino.
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Der Blaxploitation-Film hatte als Genre nur eine kurze Lebensdauer, 1975/76 war der Zauber schon wieder vorbei. Die alten rassistischen Stereotypen waren durch neue ersetzt worden; das schwarze Publikum war es leid, nur Zuhälter, Drogendealer, Brutalo-Detektive oder Hot Pants tragende Killerbräute zu bestaunen. Genauso wie damals, als bei Sweet Sweetback die Kinos gestürmt wurden, blieb das Publikum jetzt fern. Der Blaxploitation-Boom war vorbei. Es war der eingangs erwähnte Melvin Van Peebles, der den Wunsch äußerte, dass das weiße Publikum das afroamerikanische Kino doch genauso betrachten solle wie den japanischen Film oder den italienischen. In diesem Sinne, viel Spaß mit meinen, inzwischen digitalisierten, Jingle-Schätzchen, die ich hier in wöchentlichen Abständen vorstellen werde. Beginnen werde ich – three is the magic number – mit dem eingangs schon erwähnten Three the Hard Way.
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Die Handlung von Three The Hard Way ist schnell erzählt: Eine Gruppe von Neonazis wollen mit Hilfe eines ominösen Serums die schwarze Bevölkerung der USA auslöschen, aber sie haben die Rechnung ohne Jim Brown, Fred Williamson und Jim Kelly gemacht. Für den fantastischen Soundtrack wurden The Impressions engagiert, der Titelsong wirkt in dem Radio-Commercial wie eine Verheißung auf ein actiongeladenes Kinoerlebnis – und genau das ist der Streifen!
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Teil 2: Shaft In Africa
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Shafts Aufgabe im dritten und letzten Shaft-Streifen: Er soll einer in Afrika operierenden Bande das Handwerk legen, die Immigranten nach Europa schleust und dort als Arbeitssklaven ausbeutet. "Brotherman in the Motherland" lautete der Untertitel, und da Repatriierungs-Visionen und afrofolkloristisches Brimborium bei schwarzen Amerikanern gerade en vogue waren, konnte auch Shaft in Africa als Erfolg verbucht werden, auch wenn der Film eher unter der Rubrik "kann man sehen, muss man aber nicht" einzustufen ist. Ohne Großstadtkulisse wirkt das Genre doch eher zahnlos. Besser als der Film ist eindeutig der Jingle! Nicht nur, dass die Four Tops mit ihrem majestätischen Are You Man Enough die musikalische Stoßrichtung vorgeben, nein, die letzte Zeile des Commercials hat es mir angetan: "If you don’t take your Mama, some other Dude will!" So will man Werbung hören, mit einer Drohung! Nix da mit unser Produkt ist billig und gut; wer diesen Film verpasst, ist seine Freundin los! Vorgetragen von der coolsten Stimme der Welt.
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Teil 3 der Serie: Darktown Strutters
Darktown Strutters schlägt dem Fass den Boden aus! Man muss den Film sehen, um den Wahnsinn, der sich von der ersten bis zur letzten Minute zwischen Slapstick, Musical, Parodie und Krimi verbreitet, zu glauben. Als die Mutter von Syreena (Tina Parks) verschwindet, macht sie sich mit ihrer All-Girl-Biker-Gang auf, um die alte Dame zu finden. Ku-Klux-Klan-Rassisten und bis zur kompletten Vertrottelung dargestellte Cops stellen sich ihr in den Weg. Selbstredend werden alle Gegner nach Strich und Faden vermöbelt und lächerlich gemacht. Als Treffpunkt der Gang dient das BBQ-Restaurant "Hog Heaven", dessen Besitzer sich, in seiner Funktion als Vorsitzender seiner Organisation "Louisville Cross", als Förderer der Black Community in Watts/L.A. ausgibt. Doch der Schweinerippchen und Soul-Food verkaufende Gastronom ist der Bösewicht, der nach dem Zufallsprinzip Afroamerikaner kidnappt, um sie in einer "Negro Making Machine" zu klonen und noch mehr Kunden für seine Restaurantkette zu gewinnen! Im Showdown stürmen die völlig überkandidelten Ghettobewohner die Villa des Schurken, und in einer der abgedrehtesten Schlägereien der Filmgeschichte wird Mama befreit und der teuflische Gastronom selbst geklont.
Der 1975 von Western- und Actionfilm-Veteran William Witney gedrehte Film markiert das herannahende Ende der Blaxploitation-Aera (aber nicht das Ende der Blaxploitation-Serie auf Wayward Cloud – wer sagt denn, dass wir hier chronologisch vorgehen müssen?). In seiner immer haarscharf am Klamauk vorbeischliddernden Erzählweise ist der Streifen das Äquivalent zu Peter Jacksons Braindead, der dem Splatter-Genre liebevoll das Lebenslicht ausblies. In Darktown Strutters wird alles parodiert, was stilbildend für das Genre war: Kung-Fu, Sex, Drogendealer, Pimps, korrupte Cops, Verschwörungstheorien und weiße Kapitalisten. Dazu hat der Film eine wunderschöne Austattung: Die Kostüme wurden offensichtlich im psychedelischen Delirium entworfen und sind irgendwo zwischen Disco-Chic und Sun-Ra anzusiedeln; die Motorräder müssen von Mechanikern auf LSD erbaut worden sein, und die Negro Making Machine könnte gut aus einer Bastelstunde sozial auffälliger Kleinkinder stammen. Türen gehen in dem Film nur deshalb auf, damit sie jemand an den Kopf geknallt bekommt, und Fenster haben die Funktion, jemanden hindurchzuschmeißen. In Darktown Strutters ist alles komplett im roten Bereich, durchgedreht und am Limit – und das mit einem Budget, das nicht mal eine kurze Dialogszene aus einem aktuellen Kinofilm finanzieren könnte.
Für Soulfans: Die Dramatics haben einen Auftritt als Gefangene von Louisville Cross und singen What You See Is What You Get, den Song, der auch dem Radio-Jingle für diese Woche etwas für mich Unwiderstehliches verleiht. In leider eher mittelmäßiger Qualität ist der Film hier auf Wayward Cloud zu sehen. 90 Minuten anarchistischer Irrsinn – viel Spaß!
1 Kommentar:
Haben Sie schon einmal von DICK JUSTICE gehört, dem schwarzen Cop, der nach der Ermordung seiner Freundin zum schießwütigen Vigilanten wird ? Hier ist er:
https://www.youtube.com/watch?v=3epcX07t78M
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