27 Mai 2008

Immer nie glücklich

Das folgende Interview mit dem Hamburger Komiker, Literaten, Musiker, Telefon-Anarchisten und selbst ernannten Dunkelmenschen Heinz Strunk entstand im August 2007. Anlass war der Film Immer nie am Meer, das Gespräch dreht sich aber auch um Fasten und Fettabsaugen, Erfolg und Depression und natürlich Strunks Lieblings-Hassthema Comedy, um das es auch in seinem neuen Buch geht, das im Oktober erscheint.


Herr Strunk, was hat es mit dem mysteriösen Titel Immer nie am Meer auf sich?

Der soll eine gewisse Grundstimmung ausdrücken, ein Gefühl der Vergeblichkeit und des Nichtankommens. Mein Kandidat war Waldheim, schließlich handelt es sich bei dem Benz, in dem die drei Hauptfiguren eingeschlossen sind, um die bei Ebay ersteigerte Limousine des ehemaligen österreichischen Altnazis und Bundespräsidenten Kurt Waldheim. Der Titel hatte aber keine Chance, weil er wohl zu viele Gemüter in Österreich erregte.

Sind Sie zufrieden mit Ihrem ersten Ausflug ins Filmgeschäft?

Ich hatte starke Befürchtungen, dass Grissemann, Stermann und ich uns bis auf die Knochen blamieren würden. Schließlich sind wir absolute Neulinge in der Branche und haben nicht nur die Hauptrollen gespielt, sondern auch das Drehbuch geschrieben, an dem wir drei Jahre gearbeitet haben. Ist aber ganz gut geworden.

Drei Jahre Arbeit klingt viel für ein Kammerspiel.

Am Anfang stand nur eine schmale Idee: Drei Männer sitzen in einem Auto fest und sterben. Die wurde dann auf die verschiedensten Weisen variiert, mal überlebte nur einer, dann wieder alle. Sehr lange hielten wir an der Idee fest, dass die Power-Walkerin, wegen der wir von der Straße abkommen, verletzt neben dem Wagen liegen bleibt und am Ende stirbt. Aber dann hätte man das Ganze wohl nicht mehr als Komödie deklarieren können. Außerdem wollten wir nur richtig gute Dialoge liefern, da haben wir ordentlich dran gefeilt.

Können Sie sich in der Figur des von Ihnen dargestellten erfolglosen Alleinunterhalters wiedererkennen?

Unbedingt. Bei allem, was ich mache, gibt es biografische Parallen. Einen verheirateten Gehirnchirurgen könnte ich nicht darstellen. Die Verzweiflung der Figur ist mir sehr nahe. Ich habe zwölf Jahre Tanzmusik gemacht und habe am Rande des Desasters herumgefrickelt. Ich wäre bescheuert, wenn ich diese Erfahrungen nicht nutzen würde.

Ihre Situation hat sich hoffentlich etwas gebessert.

Allerdings. Ich darf wohl in aller Bescheidenheit behaupten, dass ich mittlerweile in der Königsklasse angekommen bin. Neulich bei einem Auftritt in Hamburg dachte ich, ich werd nicht mehr. Ein Zuschauer war attraktiver als der nächste. Alle super gekleidet, jung, intelligent und lustig. Das war das coolste Publikum, das ich je gesehen habe. Ich bin 45, und zu mir kommen gut aussehende Menschen zwischen 20 und 30. Zu solchen Comedy-Schranzen wie Dieter Nuhr oder Mario Barth kommen 50plus-Leute.

Ihr Buch Fleisch ist mein Gemüse ist eben sehr beliebt.

Als ich früher Platten rausbrachte, liefen die vielleicht sechs bis acht Wochen. Das Buch ist 2003 erschienen und davon werden immer noch täglich 200 Stück verkauft. Ich lass mir von Rowohlt jeden Tag die Zahlen schicken.

Haben Sie Einfluss auf die Verfilmung, die nächstes Jahr anläuft?

Nein. Mir war nur wichtig, dass das ein anständiger Regisseur macht, und ich habe vollstes Vertrauen zu Christian Görlitz. Er hat mir zwar immer mitgeteilt, wen er für welche Rolle besetzt hat, aber ich habe keinen Einfluss genommen. Ich bin ständig auf Lesereise mit Fleisch, habe ein Hörbuch und ein Theaterstück dazu gemacht, irgendwann ist auch gut. Ich bin ja nicht Rex Gildo mit Fiesta Mexicana.

Sie haben mal gesagt: "Wem es gut geht, der hat auch nicht wirklich Humor." Frohe Menschen können nicht lustig sein?

Genauso ist es. Guter Humor ist eine Antwort auf die Widrigkeiten und den Schmerz des Daseins. Alles andere ist Comedy. Oder Karneval. Alle relevanten deutschen Komiker, ob nun Loriot, Helge Schneider, Gerhard Polt oder Heino Jaeger, waren keine Frohnaturen. Ich bin auch ein sehr depressiver Typ, das gehört zur Grundierung meiner Arbeit.

Über wen lachen Sie?

Neben den schon Genannten bin ich ein großer Fan von Louis de Funès, der über viele Jahre eine sehr einfache, körperbetonte Komik beherrscht hat wie kein Zweiter. Sehr wichtig waren für mich auch die Vertreter der neuen Frankfurter Schule aus dem Umfeld der 1979 gegründeten Titanic, Leute wie Robert Gernhardt und Eckhard Henscheid. Die waren und sind Leuchttürme des guten Geschmacks inmitten der seit Anfang der 90er Jahren grassierenden Comedy-Pest.

Macht Erfolg glücklicher und damit humorloser?

Leider funktioniert das nicht so, das hatte ich mir auch anders vorgestellt. Wenn mir einer vor fünf Jahren erzählt hätte, wo ich heute stehe, hätte ich sicherlich vermutet, dass ich deutlich glücklicher bin. Ich will ja nicht sagen, dass das Gegenteil der Fall ist, aber es geht mir auf gar keinen Fall besser. Vielleicht weil die letzten Jahre gefüllt waren mit unendlichem Druck, seit Anfang 2005 habe ich 230 Live-Auftritte gemacht. Und seit anderthalb Jahren arbeite ich an einem neuen Buch. Ich hatte von Anfang an einen bestimmten Sound im Ohr, habe ihn aber einfach nicht hinbekommen. Es gibt ja auch viele Beispiele von Autoren, die im ersten Buch erfolgreich ihre Autobiografie geplündert haben, und danach ging ihnen der Stoff aus. Die Angst vorm zweiten Buch hat mich fast zur Verzweiflung getrieben. Doch mit der Zeit gelang es mir, an Ton und Stil von Fleisch ist mein Gemüse anzuknüpfen und ihn weiterzuentwickeln. Jetzt bin ich in der Schlussphase und überzeugt, dass es ein großer Wurf wird.

Wovon handelt das Buch?

Von zwei Sachen habe ich Ahnung: Musik und Humor. Und der ist jetzt dran, und zwar in seiner ganzen Bandbreite. Radio, TV und Subkultur, ich habe mit allem meine Erfahrungen gemacht. Ich habe z.B. 1998 für Pro7 einen Piloten für eine große Comedy-Show gemacht, Sketche und so. Daraus ist nichts geworden, aber da ich mich ganz gut angestellt hatte, bekam ich fünf Gastauftritte in der Sat.1-Wochenshow und hatte die Hoffnung, regulär ins Cast übernommen zu werden. Daraus wurde nichts, worüber ich damals sehr traurig war. Mittlerweile bin ich heilfroh, dass ich nicht Comedy-Star geworden bin.

Warum?

Comedy ist nicht lustig, durch die Bank. Das System duldet keine Ausnahmen. Der unter dem Begriff "Comedy" firmierende Gag-Militarismus hat eine Gleichschaltung bewirkt, die sich bis in die entlegensten Winkel der Republik ausgedehnt hat. Humor wurde zu einer Geschäftsidee erniedrigt. Das ist mein Empfinden, das aber von allen Leuten geteilt wird, deren Meinung mir wichtig ist. Was auf RTL oder Sat.1 läuft, ist durchgängig scheiße. Pro7 gestattet sich wenige Ausnahmen, nämlich Christian Ulmen und, aber auch nur bedingt, Christoph Maria Herbst. Das Gegenprogramm der Öffentlich-Rechtlichen, politisches Kabarett und Satire, halte ich für hoffnungslos veraltet. Stoiber- und Bush-Witze sind das Allerletzte. Es erstaunt mich, dass nicht längst ein Aufschrei durch die deutschen Wohnzimmer gegangen ist. Aber vielleicht wird den ja mein neues Buch auslösen, das nächstes Jahr erscheint. Ich habe schon über 800 Seiten geschrieben und arbeite derzeit jeden Tag sieben Stunden oder mehr daran.

Wie halten Sie sich bei dieser Belastung fit?

Im Moment faste ich. Seit 15 Tagen habe ich nichts gegessen und nur Wasser getrunken. Das mache ich zweimal im Jahr länger und zwischendurch mal ein, zwei Tage. Bei mir gibt es nämlich eine gewisse Tendenz, dass meine Lebensgewohnheiten verwahrlosen und ich zu viel saufe und rauche. Das Fasten hat sich dazu als sinnvolles Korrektiv erwiesen. Das bringt mich in eine angenehm euphorische Stimmung, und es ist schön, nicht verkatert zu sein. Leider halten die Vorsätze nicht ewig und irgendwann geht’s dann wieder abwärts.

Um die schlanke Linie geht es nicht?

Doch, auch. Ich könnte es nicht ertragen, auch nur als leicht moppelig zu gelten. Ich habe ja schon mein gut aussehendes Publikum erwähnt, da möchte man ja nicht so ein unattraktiver Quatschkopf sein. Anfang des Jahres war ich sogar in der Hamburger Moser Klinik und wollte mir Fett absaugen lassen. Die haben sich aber geweigert.

Wahrscheinlich war da nichts zum Wegsaugen. Wie klappt's denn heute mit den Frauen?

Das hat sich deutlich gebessert. Zum einen erfolgsbedingt. Frauen, die den Männern vorwerfen, sie seien oberflächlich, weil sie nur auf äußere Attribute achten, sind in Wahrheit mindestens genauso oberflächlich. Ich sprech da aus Erfahrung, weil ich den Unterschied kenn zwischen früher und heute: Es geht um Ruhm, Ansehen, Macht, Geld und Erfolg. Selbst bei den Frauen, die es nicht zugeben und so tun, als ob immer alles so peacig ist. Ich hatte ja das Glück, schon früher, vor dem Erfolg von Fleisch ist mein Gemüse, durch meine Musik Mädchen kennenzulernen, ich war halt der Typ von der Bühne. Aber ich glaube, ich habe noch nie irgendwo auf der Straße oder in der Kneipe, eine Frau angesprochen, die mich nicht kannte. Das ist mir nicht gegeben.

Sind Sie immer noch Wirkungstrinker oder nippen Sie sich auch mal ein gutes Weinchen?

Das ist ja vor allem eine Geldfrage. Früher hatte ich fünf Mark zum Besoffenwerden, davon habe ich mir dann Hansa-Pils und Kadarka-Wein geholt. Heute kann ich mir hochwertiges Zeug leisten, um was zu merken. Heute trinke ich Champagner. Alkoholische Diversifizierung. Nur Bier wird ja irgendwann auch langweilig.

Ist Fleisch immer noch Ihr Gemüse oder haben Sie in dem Bereich auch diversifiziert?

Ich verfüge über den teuersten Induktionsherd, der zurzeit erhältlich ist. Wenn bei mir überhaupt von so etwas wie einem Hobby die Rede sein kann, dann ist es das Kochen. Bis vor Kurzem hatte ich eine Freundin, die ich bekochen konnte, das macht natürlich mehr Spaß als für sich allein. Aber auch, wenn ich es mir leisten kann, gehe ich jetzt trotzdem nicht ständig ins Restaurant. Bei mir schmeckt es mir halt am besten.

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