07 August 2008

Das Hero-Phänomen

2003 sprach The Wayward Cloud mit Zhang Yimou über Hero, seinen ersten Ausflug ins Martial-Arts-Genre

Wer ist der Hero Ihres Films?

Alle Kämpfer/innen des Films sind Helden, aber der eigentliche Hero ist sicherlich Nameless (Jet Li), weil er etwas aufgibt und von seinem Vorhaben ablässt. Anstatt der in vielen Kung-Fu-Filmen üblichen Kampfszenen sehen wir hier am Ende einen Helden, der sein Schwert wegschmeißt und für sein Ideal des Friedens freiwillig in den Tod geht. Durch dieses für mich heldenhafte Verhalten versucht er ja auch den Kaiser zu beeinflussen. Dadurch wollte ich zeigen, dass sich im Martial-Arts-Genre durchaus eine friedfertige Philosophie verbergen kann.

Warum lässt der Herrscher am Ende den Helden töten?

Wie man in China sagt: Er lässt ihn umbringen, aber mit einer Träne im Auge. Wie die machthungrigen Herrscher aller Kung-Fu-Filme hat auch Kaiser Qin zwei Gesichter. Er muss sich den Respekt seiner Untergebenen erhalten. Gerade um diesen Kaiser gab es in der chinesischen Geschichte sehr viele Kontroversen. Auf der einen Seite galt er als Friedensstifter und Einiger Chinas, auf der anderen hat er sehr viele Menschen getötet.

In China wurde dem Film vorgeworfen, dass Qin zu positiv dargestellt würde.

Wahrscheinlich hat noch kein anderer chinesischer Film im eigenen Land jemals so viel Kritik hervorgerufen. Ich schaue manchmal im Internet nach, wo täglich Tausende Mails verfasst werden, in denen die Leute mich und einander massiv beschimpfen. Hauptsächlich dreht sich die Diskussion um die Figur des Kaisers, ob man ihn hätte umbringen oder am Leben lassen sollen usw. Daran schließen sich dann weit reichende, auch sehr aktuelle polititsche und soziologische Fragen an. Das ist sehr interessant, aber es überrascht mich auch. Vielleicht hätten wir keinen so berühmt-berüchtigten Potentaten nehmen sollen. Wir wollten aber einen Film über einen Herrscher machen, der weder aus der Ming- noch aus der Tsing-Dynastie stammt, wie es sonst im Martial-Arts-Genre üblich ist. Wir wollten mit anderen Kleidern und Hintergründen arbeiten, während der Qin-Dynastie erlebte die chinesische Kultur eine Blütezeit. Außerdem sind die sich um Kaiser Qin rankenden Geschichten in China sehr bekannt, große historische Erklärungen waren überflüssig.

Warum wird dieser epische Stoff so gänzlich unepisch, mit Rückblenden und konkurrierenden Versionen erzählt?

Auch bei der Erzälweise wollten wir die Genre-Regeln erweitern. Die lineare Erzählweise mit dem blutigen Showdown am Ende wollte ich vermeiden, in dem ich mich dem Kunstfilm annähere.

Waren Sie überrascht vom Erfolg, den der Film in China hat?

Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Der Film lief in Peking an einem der kältesten Tage des Jahres an, es schneite, aber vor allen Kinos standen lange Schlangen. Das hat es in den letzten 20 Jahren nicht mehr gegeben.

Welchen Einfluss wird das auf Ihre Stellung dort haben?

Wahrscheinlich wird sie noch umstrittener werden. Im Internet jedenfalls werde ich böse beschimpft, mit äußerst drastischen Worten. Dieser Hass aufgrund eines Films fasziniert mich. Da fallen Namen wie George W. Bush, Osama Bin Laden oder Hitler. Bei meinen Interviews in China hat anscheinend kein Mensch zugehört, wenn ich erzählte, dass ich einfach nur einen neuartigen Martial-Arts-Film drehen wollte und mich Politik dabei überhaupt nicht interessierte.

Worin besteht denn der Grundtenor der Kritik?

Die meisten finden natürlich, dass Jet Li den bösen Kaiser seiner gerechten Strafe hätte zuführen sollen. Von da ist es meist nur ein kleiner Schritt zu dem Vorwurf, ich sei ein Landesverräter, der schon in früheren Filmen China immer nur als rückständiges Land gezeigt hätte.

Aber der Regierung scheint der Film doch gefallen zu haben, zumal er sogar für einen Oscar nominiert worden ist?

Das wird immer gern behauptet, dabei ist die Regierung überhaupt nicht involviert. Die Filmwirtschaft in China ist mittlerweile ziemlich frei und läuft nach westlichem Muster. Der ganze Kommerz um den Film herum ist komplett von dem Verleih des Films veranstaltet worden, daran waren keine offiziellen Stellen beteiligt. Für die Pressekonferenz zum Beispiel wurde die Große Halle des Volkes von der Firma gemietet. Das ist kommerzielle Publicity nach westlichem Vorbild. Was den Oscar betrifft, so ist es das erste Mal, das einer meiner Filme von der Regierung zugelassen worden ist, aber auch nur, weil der Verleih einen unheimlichen Wirbel veranstaltet hat. Es gibt in China Kalender, kleine Puppen, Bücher und sogar eine Briefmarke zum Film – alles vom Verleih bezahlt.

Macht Sie der Erfolg zuversichtlich für die Zukunft des chinesischen Films?

Nicht nur mich, sondern die ganze Branche. Dieses Thema wird in China derzeit breit diskutiert. Man spricht sogar schon vom "Hero-Phänomen" als Beweis dafür, dass man mit chinesischen Filmen auch Geld verdienen kann. Natürlich haben die Kontroversen beim Erfolg geholfen. Ich kenne einen 70-jährigen Mann, der seit 20 Jahren nicht mehr im Kino war. Auch er hat sich Hero angesehen, um herauszufinden, worüber sich alle aufregen.

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