Immer nie am Meer, einer meiner Lieblingsfilme von 2007, ist soeben auf DVD erschienen. Als kleine Reverenz hier meine Rezension des Films aus der Oktober-Ausgabe von epd Film und ein Interview mit Heinz Strunk, dem polymorph-perversen Schwanengesangsmeister von der Rückbank.
"Was kommt als nächstes." Es ist nicht das letzte Mal, dass der durch Österreich tingelnde Entertainer Schwanenmeister (Heinz Strunk) diesen Seufzer ausstößt. Der Abend lief schlecht: Man hat seine Gags nicht verstanden, eine Power-Walkerin gab ihm zweimal einen Korb, und eben gerade, beim Wichsen auf der nächtlichen Landstraße, hat er im Eifer des Gefechts die Kupplung seines Wagens gelöst und ist in den Graben gerollt. Was kommt als nächstes.
Als nächstes kommen Baisch (Dirk Stermann) und sein schwer besoffener Schwager Anzengruber (Christoph Grissemann) im Auto. Mit Schwanenmeister auf der Rückbank treffen sie wieder auf die Geherin, kommen von der Straße ab und im Wald zwischen zwei Bäumen zum Stehen. Die Türen lassen sich nicht öffnen, die Fenster nicht einschlagen, sie sind aus Panzerglas. Den Benz hat Baisch bei Ebay ersteigert, es handelt sich um den Dienstwagen des ehemaligen österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim.
Drei Männer gefangen in einer Nazikarre: Was nun beginnt, ist eine der komischsten und zugleich düstersten Kammerspiele der letzten Jahre. Gemeinsam mit Regisseur Antonin Svoboda haben das deutsch-österreichische Komikerduo Grissemann & Stermann und ihr norddeutscher Bruder im Geiste Heinz Strunk drei Jahre am Drehbuch gefeilt, und es ist gut geworden. Ihr Grundthema ist die Vergeblichkeit aller menschlichen Bemühungen, das langsame Schlechterwerden aller Verhältnisse, und in Immer nie am Meer kommt es tatsächlich immer noch ein bisschen dicker. Derbe körperlich geht es dabei zu, Schorf wird gegessen und Urin getrunken, aber immer auch höflich und zivilisiert, der große Ausbruch findet nicht statt, das Kammerspiel wird nie zur großen Tragödie. Man weiß ja nicht mal, wie man richtig um Hilfe schreit.
Da die Körper ruhen müssen, treibt die Sprache das Geschehen an, und selten hat man sie so pointiert gehört wie hier, wobei sie doch ganz ohne billige Pointen auskommt. Sie ist kunstvoll, aber immer passend zur Figur, die sich mit ihr die Zumutungen der Welt vom Leib hält. Baisch, dem bärenhaften Archäologieprofessor mit bröckelnder Ehe, gerinnt noch jeder Satz zur bildungsbürgerlichen Sentenz, die die eigene Erfahrung in vorsintflutliche Ferne rückt. Anzengruber ist sein zynischer Widerpart, immer darauf bedacht, Baischs gemütliches Phlegma kaputtzureden, das sich bei ihm selbst nur durch intensiven Tabletten- und Alkoholgenuss einstellt.
Als Dritter im Bunde gibt Schwanenmeister den polymorph-perversen Chor von der Rückbank, ein Sänger und Dichter, ein Weiser und schon bald auch ein Narr. Er vergisst auch in höchster Not die Liebe nicht und ist als praktizierender Asket den Bedürfnissen des Körpers am wenigsten ausgeliefert. Die sprachlichen Feinheiten der Dialoge enthüllen die Temperamente dieser drei so unterschiedlichen Männer genau und unterfüttern noch die derbsten Gags mit einer Aura existenzieller Not, die die Komödie in die Sphären des absurden Theaters hebt. Mann wartet. Auf Hilfe. Auf Godot. Auf Gott. Und, so viel sei verraten, jemand kommt dann auch. Und es wird noch ein bisschen schlimmer.
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