20 Januar 2013

Hamburgo en Penevision!

Die Rettung der Welt, sie liegt in den Händen von Kindern und Nerds. Wer sonst hätte ein so feines Gespür dafür, dass die Erwachsenen zu ekligen Mars-Zombies mutiert sind, die danach geifern, sich ihre schlecht sitzenden Menschen-Kostüme von den ungestalten Leibern zu reißen, um auch dem letzten Erdling grüne Gülle einzuflößen? Und wer sonst käme auf die Idee, die Invasion mit einer selbst gebastelten Theremin zu stoppen, deren schrille elektrische Sphärenklänge die Alienschädel platzen lassen? Martians Go Home (2006) gelingt in 20 Minuten, was viele heutige digitale Horror- und SF-Filme in zwei Stunden nicht schaffen: mit ungeheuer viel Fantasie, Genre-Zitaten und Liebe zum selbst gebastelten Detail eine ganze eigene, schöne, bizarre, künstliche Welt zu schaffen, in die man nicht wegen ihrer perfekten Simulation, sondern wegen der improvisierten Tricks und der offensichtlichen Handarbeit der Masken und Kulissen hineingezogen wird. „Das ist die Art Kino, die ich liebe“, sagt der spanische Regisseur Dani Moreno und meint damit nicht nur seinen ersten Kurzfilm, sondern auch den Look und die Themen der frühen 80er, die er zitiert. „Es ist eine sehr ästhetische Form der Produktion, mit unmotiviert bunten Lichtern und überkandidelten visuellen Effekten.“


Moreno ist eines der Kraftzentren einer seit circa fünf Jahren in Nordspanien sich entwickelnden Szene von Horrorfans, die ihre Vorbilder nicht nur passiv als Zuschauer und Autogrammjäger feiert, sondern in einer Vielzahl von selbst organisierten Veranstaltungen, Bands, Fanzines und Filmen. Jan Fangmeier, einer der ehemaligen Betreiber des 3001-Kinos, der heute in Barcelona lebt, sieht die Gründe für diesen Boom im Erfolg des in Barcelona entstandenen Splatterfilms REC (2007), der auch international für Furore sorgte, und im Festival des Fantastischen Films von Sitges, zu dem jeden Oktober Tausende von Genre-Fans aus Spanien und Europa pilgern. In den letzten Jahren sind weitere Horror-Festivals entstanden, die mit viel Witz, Do-it-yourself-Spirit und fast ohne Geld etwas auf die Beine stellen. Die Szene ist eng vernetzt, man hilft sich gegenseitig, Bands wie die Los Tiki Phantoms und Eyaculacion Post Mortem liefern die Musik für Filme und Veranstaltungen wie das Horrorvision Festival, liebevoll gestaltete Fanzines wie Buque Maldito und Amazing Monsters feiern die Klassiker des Genres, in Shops wie La Oscura Ceremonia kann man selbst gebastelten Merchandise, Platten, Filme und Bücher kaufen oder einfach nur abhängen.


Dani Moreno ist ein gutes Beispiel für die Dynamik und den Erfindungsreichtum der Szene. Er zeichnet Comics, schreibt und inszeniert Kurzfilme, steuert mit seiner Band Motorzombis die Musik bei, und seine Drei-Mann-Firma Chaparra Entertainment kümmert sich um Produktion, Vertrieb und Merchandise. Als ihn Fangmeier im Herbst fragte, warum seine Filme in Buenos Aires und Toronto Preise kriegen, aber noch nie in Deutschland zu sehen waren, erntete er nur ein Schulterzucken und den Satz: „Wenn du das nächste Mal nach Deutschland fliegst, komme ich mit.“

Gesagt, getan. Vom 25. bis 27.1.2013 haben Dani Moreno und Jan Fangmeier einen katalanischen Horror-Weekender in Hamburg auf die Beine gestellt. Hier das vollständige Programm:

25.1. um 22 Uhr im Komet // 26.1. um 22.30 Uhr im B-Movie:
Videoclips und Filme von Dani Moreno

Martians Go Home – La Venganza de Sara Clockwork 
Spanien 2009, von Dani Moreno und Marc Velasquez, DV-digital
In dieser liebevollen Hommage an das Science-Fiction-Kino der 80er muss sich ein jugendlicher C-64-Nerd gegen eine außerirdische Invasion zur Wehr setzen. „Fantastico – posiblemente el corto mas marciano del año“ (Brian Yuzna)

Attack of the Mutant Dick from Outer Space (in 3D Penevision)
Spanien 2010, von Dani Moreno und Marc Velasquez, DV-digital
Der unter Weltraumnazis angesehene Dr. Dickinson wird beim Onanieren im Versuchslabor von radioaktiven Gammastrahlen erwischt und verwandelt sich in einen allesvernichtenden Riesenpenis. Sein Sidekick Franz Sparkasse aus Hamburgo (!!!) kann auch nicht zur Weltenrettung beitragen. Noch Fragen? Ach ja, rotgrüne 3D Penevision Brillen bringen wir in ausreichender Anzahl mit.


Amazing Mask
Spanien 2012, von Dani Moreno, DV-digital
Nachdem es im Nachtclub der sexy Voodookünstlerin Sugar Brown zu einem furchtbaren Mordfall gekommen ist, muss sich der mexikanische Superwrestler Amazing Mask nicht nur mit einem schnauzbärtigen und korrupten Bullen rumschlagen, sondern auch mit dem örtlichem Drogenkartell. Funky Sounds, sexy Girls, hohle Zombies und atemberaubende Lucha-Libre-Action: Das bisher neueste und liebevollste Produkt aus dem Hause Chaparra überzeugt mit geradezu überwältigendem Einfallsreichtum an Tiki-Dekorationen und Rock ’n’ Roll-Liebeserklärungen.

27.1. um 14.30 Uhr im Metropolis:
Bizarre Cinema presents: Pieces
Spanien 1981, von Juan Piquer Simon,  89 Min., 35mm, engl. OF, mit Christopher George, Frank Braña, Linda Day
Ein spanisches 80-Jahre Splatter-Vehikel, dessen Trash-Faktor selbst eingefleischte Bizarre-Cinema-Fans in Fassungslosigkeit versetzen sollte. Man warb damals in den USA mit dem schönen Spruch: „You don’t have to go to Texas for a Chainsaw Massacre“ – in Spanien verlieh man den Film unter dem Titel Mil gritos tiene la noche (Tausend Schreie hat die Nacht). Ein Killer mit Kettansäge zerlegt weibliche Jugendliche an der Uni zu handlichen Tapas. Begründung: schwierige Kindheit. Mama hatte ihm als Kind das Puzzlespiel mit dem Motiv einer halbnackten Señorita weggenommen. Der Film genießt bis heute unter spanischen Splatter-Nerds unerreichten Kultstatus und kam in der BRD nie zur Erstaufführung.
Einführung: Dani Moreno und Jan Fangmeier

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