Bisher war Henrik Peschels Madboy nur in Hamburg zu sehen, ab 2. Juli startet er nun seine wohlverdiente Tournee durch den Rest der Republik (Termine siehe unten). Wie alles am Film kam auch dieser Bundesstart ohne jedes Geld zustande und verdankt sich ausschließlich dem heroischen Einsatz Peschels und seinem Willen, seine Volkskunst dem Volk nahezubringen. Grund genug für The Wayward Cloud, eine weiteres Mal mit dem Regisseur zu sprechen (hier geht es zum ersten Interview), der schon zwei weitere Langfilme fertig hat. Gedreht für eine Handvoll Euro, versteht sich.
Mit welchem Equipment hast du Madboy gedreht?
Henrik Peschel: Ich habe den Film auf einer DVX100 von Panasonic gedreht, mit der auch viele Dogma-Regisseure gearbeitet haben. Mit ihr ist man beweglich und fällt nicht so auf. Wichtig ist ein gutes Objektiv und dass es keine HD-Kamera ist, die sind mir nicht lichtempfindlich genug. Wir haben ja viel im Low-Light-Bereich ohne Schweinwerfer gedreht, da es oft schnell gehen musste. Das Tonequipment wurde manchmal, wenn ich keinen Tonmann dabeihatte, von den Schauspielern bedient, das habe ich ihnen dann beigebracht. Einmal musste ich Kamera und Ton auch selbst machen, da habe ich mir die Angel hinten in den Kragen gesteckt, über meinem Kopf baumelte der Windkorb. Eine Hand am Schärferegler, die andere am Ton, die dritte hält das Drehbuch. Wie einer dieser Typen, die mit einer Trommel auf dem Rücken in der Fußgängerpassage stehen und fünf Instrumente zugleich spielen.
Der Film ist fertig und schon auf ein paar Festivals gelaufen, bist du zufrieden mit den bisherigen Reaktionen?
Absolut. Am meisten überrascht es die Leute immer, dass die meisten Darsteller noch nie vor der Kamera gestanden haben. Die Kinos waren voll, und es gab viel Szenenapplaus. Die Zuschauer stehen sogar regelmäßig auf und ballen ihre Fäuste, wenn Jakobus in einer Szene sagt, das sei doch Revolutionssteuer, die Reichen zu beklauen. Madboy ist ja auch ein Film zur Finanzkrise, die bei den beiden Hauptfiguren nun mal definitiv herrscht.
Wie sieht es mit deiner eigenen Finanzkrise aus, hat sich daran durch Madboy etwas geändert?
Natürlich nicht. Oder halt, eigentlich doch. Neulich musste ich ins Krankenhaus und sprach mit der Oberärztin von dem ganzen Laden, die mich plötzlich fragt: "Sind Sie nicht der Macher von Madboy? Ich bin ein totaler Fan von dem Film." Sie hatte ihn auf dem Filmfest Hamburg gesehen und sagte mir, ich würde nun eine Vorzugsbehandlung kriegen. So war das dann auch: Einzelzimmer, Chefarzt-Behandlung, das ganze Programm. Vom Kassen- zum Privatpatienten dank Madboy.
Trotz des guten Feedbacks haben dir die Verleihe nicht gerade die Bude eingerannt. Wie hast du es geschafft, dass dein Film jetzt am 2.7. in vielen deutschen Städten startet?
Ich kenne in Deutschland einige Kinobetreiber, denen ich den Film geschickt habe. Madboy wird nun unter anderem in Berlin, München, Köln, Kassel und im Allgäu laufen, mal in großen Kinos wie den Hackeschen Höfen Berlin, mal in kleinsten Underground-Clubs. Und wir werden im original Geldtransporter aus dem Film von Nord nach Süd touren.
Ist das Label des "Hamburg-Films" hinder- oder förderlich?
Gerade in Süddeutschland, ob München oder tiefstes Allgäu, ist alles aus Hamburg extrem angesagt, da unten werden sogar die Dialoge von Rollo Aller vom Publikum mitgesprochen. Außerdem bildet Madboy auch eine Musikszene ab, die im kleinsten Dorf jedem ein Begriff ist – absolut jeder Student kennt Tocotronic, die im Soundtrack vertreten sind.
Was für Aktionen wird es zum Start des Films geben?
Madboy ist ein Film aus dem Volk fürs Volk, deshalb will ich Team und Zuschauer eng zusammenbringen. Die Leute sind aufgefordert, einminütige Heimatfilme zu drehen, per Handy, per Videokamera oder was auch immer, und uns zu schicken. Die nehmen an einer Verlosung teil, bei der es 50 Preise zu gewinnen gibt, unter anderem eine Sightseeingtour im Geldtransporter durch Wilhelmsburg oder ein romantisches Wochende für ein Pärchen in einem Wilhelmsburger Hotel. Zum Hauptgewinner kommen Bier, Beamer und das ganze Team nach Hause und bauen im Wohnzimmer ein Kino auf, wo dann Madboy läuft. Ansonsten wird es bei allen Kinovorstellungen im Abaton und 3001 Livemusik von zum Beispiel R.J. Schlagseite geben.
Was kommt nach Madboy?
Ich habe schon zwei weitere Langfilme fertig. Der eine heißt Pete the Heat und handelt von drei Freunden, die sich mit einem in der Mitte durchgebrochenen Hausboot auf den Weg zur Antillen-Insel San Pigro machen, auch bekannt als "Insel der Faulen". Sie hoffen, da nie mehr arbeiten zu müssen. Der andere, den ich mit dem Musiker und Schauspieler Miles Terheggen gedreht habe, feiert im Oktober auf dem Hamburger Filmfest seine Weltpremiere. Er heißt Dicke Hose und handelt vom Aufstieg eines rappenden Pizzaboten in der Hamburger Hip-Hop-Szene. Die Hauptrolle spielt der Hamburger Rapper und Produzent Sleepwalker, der "King of Schnack". Der feuert am laufenden Meter Sprüche ab, mehr geht nicht.
Typen mit großer Schnauze sind ja sowieso die Hauptenergiequelle aller deiner Filme.
Wenn ich was hasse, dann sind es sämtliche Filme der Berliner Schule, in denen kaum gesprochen wird. Die halte ich körperlich nicht aus, so lange kann ich gar nicht stillsitzen, da kriege ich Rücken- und Arschschmerzen. Für mich das Schlimmste, was es überhaupt gibt, ein Grauen.
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Bundesstart von Madboy am 2.7.2009 in Hamburg (Abaton, 3001), Berlin (Hackesche Höfe), Köln (Filmhaus), Buchloe (Hirsch)
Teampremieren mit Livemusik:
30.6. Hamburg, Abaton
1.7. Berlin, Hackesche Höfe
2.7. Hamburg, 3001
16.7. Köln, Filmhaus
Alle Infos zu weiteren Terminen, Aktionen und zum Hamburg-Handy-Heimatfilm-Wettbewerb "Dreh dein Ding in Hamburg" finden sich auf der Website zum Film
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