12 Februar 2019

Einladung zur Leere

Veranstaltungshinweis: Im März und April 2019 läuft im Hamburger Metropolis-Kino die Reihe HOPPERMANIA! – Filme von und mit Dennis Hopper

Das filmische Schaffen von Dennis Hopper ist wie kaum eine andere Leinwandkarriere geprägt von einer Abfolge unvergesslicher Performances und abrupter Abbrüche. Statt in die Fußstapfen seines Freundes James Dean zu treten, an dessen Seite er Mitte der 50er in ersten Rollen zu sehen war, verschwand er kurz nach Deans Tod von den Leinwänden und wurde Teil der explodierenden Pop-Art-Szene in L.A. Nach dem Sensationserfolg von Easy Rider 1969 drehte er mit einer Million Industrie-Dollar in Peru den Experimentalfilm The Last Movie, einen radikalen Angriff auf die Illusionsmaschine Hollywood, der kurz nach der Premiere ebenso wie sein Schöpfer von der Bildfläche verschwand. In den frühen 80ern sorgte Hoppers extremer Drogenkonsum ein weiteres Mal für eine schöpferische Auszeit. Diese Nähe von Intensität und Leere, von Ruhm und Vergessen, von Glamour und Zerstörung prägt nicht nur Hoppers Karriere insgesamt, dieses Pulsieren kennzeichnet jede einzelne seiner Rollen. Ob junger Rebell, Cowboy, Outlaw-Biker, abwesender Vater, Bösewicht oder Industriemogul, Hopper spielt seine Figuren, als ob sie keine Vergangenheit und Zukunft haben, sie gehören ganz der Gegenwart, brennen lichterloh, immer kurz vor dem Verlöschen. Hinter dieser Offenheit für den Moment stecken eine Philosophie und ein künstlerisches Programm, das Hopper selbst einmal als „invitation to the void, a system of moments“ bezeichnet hat: „Für mich als Künstler, dem man im Medium seiner Wahl, im Film, zu arbeiten verwehrte, bezeichnet ,the void‘ die Leerräume zwischen den Filmjobs, den Schauspielaufträgen, den Regiearbeiten, dem Schreiben und ,a system of moments‘ die festgehaltenen Augenblicke eines gleichsam für ewig gegen die Finsternis ringenden Kerzenflackerns oder feuchte Farbkleckse, geronnen in einem trockenen Angsthauch aus Furcht und Qual.“ Diese Reihe versucht anhand einer Reihe von ausgewählten Momenten die pulsierende Leere von Dennis Hoppers Universum auszuloten. Sie wird im April fortgesetzt.



Giant
USA 1956, R: George Stevens, 201 Min., DCP, OmU, mit Elizabeth Taylor, Rock Hudson, James Dean, Dennis Hopper
Die Geschichte von Aufstieg und Fall einer Rinderbaron-Dynastie fährt alles auf, was Hollywood Mitte der 50er zu bieten hatte: eine epische Familiensaga, grandiose Cinemascope-Bilder der texanischen Landschaft, eine bis ins letzte Detail üppig ausgestattete Rekreation einer vergangenen Ära und eine Handvoll Topstars. Ein Film für die Ewigkeit wurde Giant aber durch James Dean. Mit jedem seiner Auftritte als erst nervöser und schüchterner, später alkoholsüchtiger und zynischer Gegenspieler des Familienoberhaupts Jordan Benedict (Rock Hudson) halten Method Acting und die Moderne Einzug ins Geschehen. Wie er in Interviews oft erzählte, schaute sich Dennis Hopper für seine Rolle als Patriarchensohn, der das Erbe seines Vaters nicht antreten will und eine Mexikanerin heiratet, alles von seinem Freund James Dean ab. Dieser kam eine Woche nach der Uraufführung bei einem Autounfall ums Leben.
1. März, 19 Uhr
4. März, 17 Uhr



Die teuflischen Engel
USA 1967, R: Anthony M. Lanza, 84 Min., 35mm, DF, mit Dennis Hopper, Jody McCrea
In seinen Western der 1950er-Jahre stand der junge Dennis Hopper zumeist unter Strom, weil dominante Väter, beliebtere Brüder, komplizierte Frauen und ruppige Gegenspieler ihm die Laune verdarben. Warum schnappte er sich damals nicht einfach ein Pferd und ritt, ein williges Girl an seiner Seite, in freundlichere Gefilde? Mit dem Motorrad flutschte das einige Jahre später schon besser, zumal Hopper hier fleißig für seine Rolle in Easy Rider übte, der zwei Jahre später in die Kinos kommen sollte. Als Anführer einer Motorradbande prügelt er sich mit einem Rivalen um die Liebesgunst einer schönen Frau. Nicht gerade sehr originell, weil ein Lieblingsthema des Biker Movies. Doch zum Genre gehört auch die strikte Einhaltung seiner Konventionen. Lexikon-Macher Leonard Maltin entdeckte den Humor in den Dialogen: „Hey, like, ya know, I wanna dance with you, baby.“ So kriegte man damals noch die Mädels rum. Im Wilden Westen hätte sich Hopper mehr Mühe geben müssen. (Michael Ranze)
7. März, 19 Uhr
11. März, 21.15 Uhr, Einführung: Michael Ranze



The Last Movie
USA 1971, R: Dennis Hopper, 108 Min., DCP, OmU, mit Dennis Hopper, Stella Garcia, Tomas Milian, Sam Fuller
Nach dem Riesenerfolg seines Debüts Easy Rider kriegte Hopper von Universal eine Million Dollar und freie Hand für sein nächstes Projekt. Er zog mit einer Entourage von Technikern, Freunden, Musikern und Künstlern ins Hochland von Peru und drehte einen Experimentalfilm, der ein für allemal mit den Mythen Hollywoods und des Westerns aufräumen sollte. Wie immer bei Hopper entstand aus der Zerstörung eine neue Legende, bis zum Bersten voll mit Ideen, Country-Poesie, ekstatischen Landschaftsaufnahmen, sexy Star-Power und guter, alter amerikanischer Gewalt. „Godard hat mal gesagt, Filme sollten einen Anfang, einen Mittelteil und ein Ende haben – aber nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Ich habe den Film gemacht, nachdem ich das gelesen hatte. Ich wollte das Filmmaterial einsetzen wie ein abstrakter Expressionist seine Farbe. Ich verweise ständig auf die Tatsache, dass wir einen Film machen – und dass es ziemlich verrückt sein könnte, sich so in einen Film hineinziehen zu lassen und irgendwann zu glauben, was man da sieht –, und dann reiße ich euch wieder raus. Für die meisten ist das keine besonders angenehme Erfahrung.“ (Dennis Hopper)
8. März, 21.15 Uhr, Einführung: Volker Hummel
10. März, 19 Uhr


Kid Blue
USA 1973, R: James Frawley, 100 Min., 35mm, OmU, mit Dennis Hopper, Ben Johnson, Peter Boyle, Warren Oates, Lee Purcell
„He was a good kid, but a rotten bandit!“, witzelte der US-Verleih auf dem Plakat zum Filmstart von Kid Blue im September 1973. Und tatsächlich ist der Film von James Frawley (sein claim to fame war der Muppets-Film) eine Seltenheit im Werk Dennis Hoppers: eine Komödie – vielleicht die einzige Art, nach der Italowestern-Revolution das Genre noch zu bedienen. Hopper hatte offensichtlichen Spaß an der Rolle eines untalentierten Eisenbahnräubers, der eines Tages beschließt, ein ehrbares Leben zu führen. In dem texanischen Dreckskaff Dime Box hält er sich eine Zeitlang mit Minijobs über Wasser, lässt sich von Sheriff Mean John (Ben Johnson) piesacken und von der Frau seines Kumpels Resse Ford (Warren Oates) verführen. Und dann wird es ziemlich wüst. Eine hochamüsante, leicht anarchische Anklage gegen die Verlogenheit der bürgerlichen Moral.
14. März, 19 Uhr
16. März, 21.15 Uhr


Out of the Blue
Kanada 1980, R: Dennis Hopper, 93 Min., 35mm, DF, mit Linda Manz, Dennis Hopper, Sharon Farrell, Raymond Burr, Don Gordon
Keine Liebe, keine Hoffnung, keine Zukunft: „No Future“, den Schlachtruf der Punks Ende der Siebzigerjahre, hat Dennis Hopper in seinem ersten Film als Regisseur seit dem (finanziellen) Desaster The Last Movie neun Jahre zuvor in krasse Bilder verwandelt. Anders als Easy Rider, dem emblematischen Film der Hippies, schaffte Out of the Blue Ähnliches nicht für die Punk-Generation. Der in Kanada gedrehte Film lief in Cannes im Wettbewerb und erwarb in Europa so etwas wie Kultstatus, in den USA ging er völlig unter. Zu düster ist die Geschichte von dem Punkmädchen Cebe (Linda Manz), das unter ihrem toughen Auftreten ihre extreme Verletztlichkeit kaum verbergen kann. Sie verehrt Elvis Presley, Sid Vicious – und ihren Vater Don (Dennis Hopper), der im Knast sitzt und sich als veritabler Kotzbrocken erweist, als er rauskommt. Für Cebe gibt es nur einen radikalen Ausweg aus dem früh verpfuschten Leben. Out of the Blue fängt die Depri-Stimmung der Punkzeit perfekt ein. Neil Youngs Song „My My, Hey Hey (Out of the Blue)“ lieferte den Titel, und Hopper nimmt die Songzeile „It’s better to burn out than to fade away“ ziemlich wörtlich.
20. März, 21.15 Uhr, Einführung: Marcus Müntefering
23. März, 21.30 Uhr


White Star
D 1983, R: Roland Klick, 92 Min., DCP, DF, mit Dennis Hopper, David Hess, Ute Cremer
Nachdem Dennis Hopper 1980 mit Out of the Blue den wohl wichtigsten (übersehenen) Film über die Punkzeit gedreht hatte, fand er sich drei Jahre später bei Roland Klicks White Star erneut mit dem Thema konfrontiert. In Berlin herrschte totale No-Future-Atmosphäre. Man tanzte Pogo im SO36, die Szene war auf Speed und H und permanent aggro. Die hypernervöse, nihilistische Antimusik der Einstürzenden Neubauten lieferte den Soundtrack zum Untergang. In diese Gemengelage wirft Regisseur und Drehbuchautor Roland Klick in White Star den abgehalfterten Musikmanager Kenneth Barlow, der es noch einmal wissen will und dem jungen, schönen, aber eher minderbegabten Musiker Moody (Terrence Robay) mit allen Mitteln zum Durchbruch verhelfen will. Doch: falsche Zeit, falscher Ort, falscher Star, auch groteskeste Guerilla-Aktionen fruchten nichts. Wenn man Hopper zuschaut, verspürt man fast körperliche Schmerzen: sein Gefuchtel, die Drogen, die Exzesse, der Irrsinn. Man glaubt in einer Art Doppelblichtung einem Schauspieler bei einem Akt der Selbstauslöschung beizuwohnen. Das ist manchmal unerträglich, immer faszinierend – und total Punk.
25. März, 21.15 Uhr
27. März, 19 Uhr

Das Programm für den April findet sich hier

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