14 September 2007

James Deans rote Jacke

Ich weiß nicht genau, wann in Rebel Without a Cause zum ersten Mal die rote Jacke auftaucht. Hat Jim Stark (James Dean) sie schon an, als er auf der Straße liegt und mit dem Klapperaffen spielt? Hat er sie auf der Polizeiwache an oder bringt sie erst sein Vater mit und legt sie ihm um die Schultern? Sehr viel später, in der verlassenen Villa, wird Jim sie jedenfalls dem erschöpften Plato (Sal Mineo) umlegen und dann mit Judy (Natalie Wood) reiches Ehepaar spielen. Die Szene wiederholt sich später, wenn Jim seine Jacke über Platos Leichnam legt. Das ist eine sehr schöne und vieldeutige Geste. Vor allem bringt sie Fürsorge zum Ausdruck, eines der zentralen Themen des Films: sich selbst der Kühle aussetzen, um jemand anderem Wärme zu spenden. Wenn es ein Mann bei einer Frau macht, kann es reine Galanterie sein, eine leere, erobernde Geste. In Rebel Without a Cause bekommt man durch die Wiederholung den Eindruck, dass Jim seine Jacke loswerden möchte und mit ihr die Rolle, die er für alle zu spielen hat: Sohn, Rebell, Ikone.

Ein anderes wichtiges Kleidungsstück im Film ist die Schürze des Vaters. Sie hat man zuerst vor Augen, wenn man an ihn denkt, sie symbolisiert sehr deutlich seine Weichheit und Feigheit, die er nicht ablegen kann. Die Mutter ist dagegen kalt und hart. Der Film sucht mit seiner Hauptfigur nach einem Gleichgewicht dieser Extreme. Wobei das Problem eher bei den Vätern zu suchen ist. Platos Vater ist in der Ferne, alle paar Monate kriegt er von ihm einen Brief mit Geld. Erzogen wird er von einer schwarzen fürsorglichen Haushälterin, mit ihrer Schürze ist sie das ebenso hilflose Pendant zu Jims Vater. Judy bleibt in diesem Männerdrama nur eine Zuschauerin, die dem Geschehen gefühlsmäßige Tiefe gibt, ohne es beeinflussen zu können. Über allem schwebt ein recht konventionelles Rollenbild, man kann sich gut vorstellen, dass Jim und Judy nach dem Abspann eine klassische Familie gründen und vielleicht in die Villa ziehen.

Aber es kann auch ganz anders kommen, die Figuren und die Bilder, die sie von sich selbst haben, sind in Bewegung, allen voran in geradezu berauschender Weise Jim Stark/James Dean. Seine Bewegungen sind unvorhersehbar. Wie er auf dem Stuhl auf der Polizeiwache lümmelt und eine Sirene nachahmt. Wie er wie ein gestürzter, betrunkener Gott auf der Straße liegt und den Klapperaffen anstupst. Wie er Milch trinkt und sich mit der Flasche kühlt. Wie er geht. Wie er Räume betritt und wieder verlässt. Das ist besonders auffällig in East of Eden: Er benutzt fast nie die Tür. Er kommt durch Fenster. Er umkreist Orte und Häuser, steigt gern auf Dächer und Simse und schaut herein. Selten bleibt er lange am selben Ort, drinnen. Sieht man James Dean jemals im Bett? Er ist meist in sehr schöner Bewegung. Seine Körperhaltung hat etwas Indirektes und Geducktes. Er lässt sich ungern auf direkte Gegenüberstellungen ein, weder im Kampf noch in romantischen Situationen. Eine Kusszene mit James Dean wirkt unnatürlich. Elia Kazan und Nicholas Ray haben das verstanden. Dean benutzt die Dinge nicht so, wie die meisten Menschen das tun. In Stühlen sitzt er nicht gerade und aufrecht, sondern rutscht hinauf und hinunter, thront wie ein König, fläzt sich quer in sie hinein. Seine Schritte haben etwas tastendes, zirkuläres, jederzeit kann er die Richtung wechseln.

Wer besitzt die rote Jacke heute? Hängt sie in einer Vitrine? Wird sie manchmal jemand anderem um die Schulter gelegt?

Keine Kommentare: