16 September 2007

Abenteurer!

In Sam Fullers "Shark!" verkörpert Burt Reynolds einen idealtypischen Abenteurer. Schon der Titel des Films zeigt an, was diese Figur auszeichnet, sie ist niemandem verpflichtet. Die Beziehungen, die Caine (Reynolds) in dem dreckigen Kaff am Roten Meer knüpft, sind flüchtig und wechselhaft, Allianzen werden ausgehandelt und fallen gelassen, wenn sich ein besserer Deal ergibt. Beständige Freundschaft schließt Caine nur mit einem Kind, einem Zigarre rauchenden Taschendieb, der in Caine einen Seelenverwandten erkennt. Beide haben es faustdick hinter den Ohren, suchen immer nach dem eigenen Vorteil, sind aber zugleich unschuldig, da ihre kleinen Tricks immer dem Moment gelten, sie manipulieren die Menschen nicht zu ihren eigenen miesen Zwecken, wie alle anderen zwielichtigen Gestalten in dem Rattenloch.

Aber Caine muss mitspielen, er ist kein vollkommen freier Mensch, er ist abhängig von den Ränken der anderen, derer er sich dann ganz intuitiv bedient. Vielleicht weil er nie mit ganzem Herzen bei der Sache ist, geht er am Ende immer leer aus. Am Anfang von "Shark!" verliert er eine Schmuggelladung Sprengstoff und strandet in der Wüste. Am Ende knöpft ihm eine Blondine (Silvia Pinal) einen aus den Tiefen des Meeres geborgenen Goldschatz ab und lässt ihn mit leeren Händen im Beiboot zurück. In beiden Situationen bleibt er gelassen. Er weiß, dass er (wieder mal) am Leben bleibt, während das Boot der Blondine langsam voll Wasser läuft. Am nächsten Tag beginnt ein neues Abenteuer, ein neuer Film.

Ebenso schöne Abenteurer-Figuren wie bei Samuel Fuller finden sich bei Akira Kurosawa. In den Filmen beider Regisseure ist nichts von Dauer, Macht ist vorübergehend oder nur eine leere Maske ("Kagemusha"), am Ende überlebt derjenige, der das Geschehen am genauesten beobachtet und sich nicht endgültig für eine Seite entscheidet. Manchmal hat man fast den Eindruck, dass mehr als Geld das Zuschauen selbst die größte Motivation für die Abenteurer ist, das Staunen darob und das Vergnügen daran, wie sich die anderen in ihren Machtkämpfen aufreiben.


In "Yojimbo" gibt es eine schöne Szene, die diesen Zusammenhang illustriert: Der verletzte Yojimbo (Toshiro Mifune), der in einem Fass versteckt ist, lässt den alten Mann, der ihn aufs Land in Sicherheit bringen soll, mitten auf der Straße anhalten, wo gerade eine kleine Schlacht tobt. Yojimbo schiebt den Deckel beiseite und schaut dem Gemetzel mit großem Vergnügen zu. So viel Zeit muss sein. Am Ende von "The Hidden Fortress" bringt Prinzessin Yuki (Misa Uehara) eine ähnliche Geisteshaltung zum Ausdruck. Gemeinsam mit General Makabe (Toshiro Mifune), einer stummen Magd und zwei Narren hat sie Schlachten, Massaker und höchste Gefahr überstanden, und am Ende bringt sie ihre Freude zum Ausdruck, all diese Dinge gesehen haben zu dürfen. Dass sie die meiste Zeit des Films so tun muss, als ob sie stumm sei, unterstreicht noch ihre Rolle als Zuschauerin, allerdings eine mitleidende, mitkämpfende, mitdenkende. Sehen, aber sich nicht gefangen nehmen lassen von der Macht, der Gier, den Ideologien, das ist die wahre Lust und Bestimmung des Abenteurers.

Eine beneidenswerte Gabe des wahren Abenteurers besteht darin, an jedem Ort zu jeder Zeit schlafen zu können. Was gibt es Entspannteres als den gähnenden Caine (in "Shark!) auf der Ladefläche des Pick-ups, der ihn nach dem Verlust seiner Schmuggelware aus der Wüste gerettet hat. Diese Lockerheit liegt vielleicht daran, dass der Abenteurer ein anderes Verhältnis zu Zeit hat als die meisten Menschen. Sie wird ihm nie knapp oder lang. Hat er viel davon, dann schläft er eben, man weiß ja nie, wann sich die nächste Gelegenheit für ein Nickerchen ergibt. Er schläft auf der Stelle ein, denkt nicht über das morgen nach, und schon gar nicht trauert er verpassten Gelegenheiten nach. Die Zeit des Abenteurers ist die Gegenwart, sein Taktik gilt dem Augenblick. Auch wenn Caine seine Gegenspieler strategisch weit voraus sind, etwa der falsche Professor mit seinen Plänen, unter dem Deckmantel humanitärer Forschung einen Schatz zu bergen, so kommt doch immer der Moment, indem die reine Geistesgegenwart des Abenteurers dem langfristig planenden Bösewicht einen Strich durch die Rechnung macht.

Von diesem Sieg des Details über das Große Ganze erzählen die Showdowns sämtlicher Bond-Filme, wenn die für die Ewigkeit konzipierte Maschinerie der Weltherrschaft durch die aus dem Moment geborene Taktik des Einzelkämpfers aus den Angeln gehoben wird. Seine Hauptwaffen sind dabei die Fäuste, ohne handfeste Boxfertigkeiten kommt kein Abenteurer weiter. Das weiß auch Fuller, weshalb er ziemlich genau in der Mitte des Films eine ausgedehnte, hin- und herwogende, ganz stille und konzentrierte und doch sehr wilde und brutale Prügelei platziert, ein Denkmal für den Abenteurer. Seine andere, zärtliche Seite zeigt sich kurz danach: Caine holt den volltrunkenen Doktor aus dem Koma (mit noch mehr Schnaps!), nicht um seine eigenen Wunden zu versorgen, sondern die des verletzten Jungen. Edler kann man in einer so verkommenen Welt nicht handeln.

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