31 Januar 2009

Wach bleiben

Zwei TV-Tipps:

Sonntag, 1. Februar, 0.20 Uhr (Nacht von Samstag auf Sonntag), ARD: Psycho von Gus van Sant (USA 1998)

Mehr als jedes andere Genre funktioniert der Horrorfilm aus der Spannung zwischen schon Gesehenem und neuen Einfällen. Horror definiert sich geradezu aus der Wiederholung bestimmter Bilder, Settings und Figuren, die variiert und im entscheidenden Moment verändert werden, ganz im Sinne Freuds, der das Unheimliche als das Heimliche (lies: Bekannte) definierte, das durch kleine Abweichungen plötzlich ganz fremd geworden ist. Die besten Horrorfilme sind wie wiederkehrende Träume, deren Inventar dasselbe ist wie letzte Nacht, nur um wenige Zentimeter verrückt.

In diesem Sinne einer genauen Wiederholung mit einigen sehr beunruhigenden Differenzen lässt sich Gus van Sants Psycho als ein Horrorfilm in zweifacher Hinsicht verstehen. Van Sant radikalisierte 1998 die in Hollywood gängige Praxis des Remakes, indem er Alfred Hitchcocks unheimliche Vorlage nicht nur noch mal etwas anders erzählte, sondern die Einstellungen und Schnittfolgen des Originals exakt kopierte. Zu ausgesprochenem Grauen hat van Sants Experiment vor allem bei vielen Filmkritikern und Hitchcock-Puristen geführt, die von Blasphemie und Plagiarismus sprachen (stellvertretend hier Jonathan Rosenbaums Verdammung des Films), wohlgesonneren Kritiker taten den Film als uninspiriertes Experiment ab.

Aber was heißt schon "exakt kopieren"? Wer sich van Sants Film ansieht, wird staunen nicht über den Grad der Nachahmung, sondern über die Fülle an merkwürdigen Abweichungen, die tatsächlich ein unheimliches Gefühl verursachen. Van Sant begriff seinen Film als eine Art Spiegel, in dem nicht das Original sichtbar wird, sondern sein "schizophrener Zwilling". Die ausdrückliche Berufung auf ein verehrtes Original schärft den Blick für die Differenzen. Aus der behaupteten Gleichheit des Doppelgängers entsteht gerade die Unheimlichkeit einer nicht ganz greifbaren Andersheit. Nicht nur aus dem bekannten Plot wächst bei van Sant das Grausen, sondern aus den vielen seltsamen Anachronismen, der Farbgebung und den schwulen Gesten des neuen Norman Bates (Vince Vaughn), die ein ganz neues Licht aufs Original werfen.

Vaughn/Perkins/Bates

Seit einigen Jahren erfährt van Sants Remake eine größere kritische Aufmerksamkeit. Als erster wies Slavoj Zizek in seinem Aufsatz "Is there a proper way to remake a Hitchcock film?" auf die vielen Unterschiede zwischen Original und Neuverfilmung hin. Den weiteren Weg zu einer Neueinschätzung des Films ebnete Steven Jay Schneider mit seinem Artikel "A Tale of Two Psychos", aus dem auch das obige van-Sant-Zitat stammt.

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Montag, 2. Februar, 0.30 Uhr (Nacht von Sonntag auf Montag), Arte: Die Mutter von Antoine Cattin und Pawel Kostomarow (OT: La Mère, Schweiz, Frankreich, Russische Föderation 2007)

Neben Thomas Heises Kinder. Wie die Zeit vergeht war Die Mutter der tollste Dokumentarfilm, den ich auf dem DOK Leipzig 2007 gesehen habe. Aber leider nur zu zwei Dritteln. Gerade als im Film die Hochzeitsfeier der einen Tochter sich zu einem gigantischen Wodka-Gelage entwickelte, musste ich aus dem Kino, um meine Bahn zu erwischen. Seitdem habe ich von dem Film nichts mehr gehört oder gesehen. Unfassbar.

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