Inspiriert von Volker Pantenburgs toller Reihe Amerikanische Kinos, geschrieben auf einer US-Tastatur.
Moab im Sueden der USA durchfaehrt man wie alle Kleinstaedte Amerikas auf der Main Street, an der Motels, Restaurants, Supermarkets, Hardware Stores und Drive-thru Banks mit riesigen Billboards um Aufmerksamkeit konkurrieren. Hinzu kommen unzaehlige Laeden, in denen man Adventure Tours, Hummers, Four Wheel Drives und jede erdenkliche andere Form hochmotorisierter Vehikel mieten kann. Auf der Strasse gut gebaute Freeclimber, Mountainbiker und Jeep-Frickler mit Schuerfwunden an den Armen und Schraubenschluesseln in der Hosentasche, mit denen sie abends zaertlich an ihren Vehikeln herumschrauben. Es war ueberraschend, an einem solchen Ort ein Kino mit drei Saelen zu entdecken, "conveniently behind Burger King", in einer dieser Seitenstrassen, die direkt in die Wildnis zu fuehren scheinen.
Es liefen ein Kinderfilm und einer mit Vin Diesel, also entschieden wir uns fuer The Adjustment Bureau (TAB), von dem ich, seltenes Glueck, noch nie zuvor gehoert hatte. Das Plakat zeigte Matt Damon und Emily Blunt vor oder auf der Skyline eines entvoelkert wirkenden New York, ich erwartete einen Mindfuck-Thriller a la Philip K. Dick mit verschiedenen Realitaetsebenen. Der Film begann wie ein Politdrama, Matt Damon scheitert als jung-dynamischer Senats-Kandidat, der fuer ein ehrlicheres, demokratischeres Politikverstaendnis steht, am verkrusteten System. Auf der Maennertoilette begegnet er in der Nacht der verlorenen Wahl Emily Blunt, die barfuss und mit Champagnerflasche aus einem Klo kommt. Es folgt die schoenste Szene des Films, eine intensive Begegnung, die mit wenigen Worten und Blicken inszeniert ist und bei der man trotz aller Spontanitaet das Gefuehl nicht los wird, einer Meta-Inszenierung beizuwohnen. Kurze Zeit spaeter wird die Ahnung zur Gewissheit, als Matt Damon, kurz nachdem er Blunt zufaellig zum zweiten Mal getroffen hat, einen Blick hinter den Vorhang der Realitaet werfen kann: Die Welt ist in der Hand von grauen Maennern mit Hueten, die dafuer sorgen, dass alles nach Plan laeuft, d.i. ein Buch, das vom Chairman/Gott geschrieben wurde. Die Liebe zwischen Damon und Blunt steht nicht darin.
So weit so bescheuert so gut so lange es als Exposition benutzt wird, um den Rahmen zu skizzieren, in dem die Figuren ihr Glueck gegen alle Widerstaende zu behaupten haben. TAB gehoert aber zu einer neuen Art von Filmen, die man nicht nach Genres kategorisieren kann, da sie sie haeufig wechseln, sondern die sich durch eine Erzaehlstruktur auszeichnen, die sich vom raeumlich gepraegten Paradigma von Computerspielen herleitet. Diese Struktur zeichnet sich dadurch aus, dass die Exposition bis zum Schluss dauert, sie endet erst am Ende, staendig liefert der Film neue Informationen, die das Vorhergegangene nicht nur in neuem Licht erscheinen lassen (wie Filme, die von Plotwendungen leben), sondern es aufheben, loeschen, resetten. Es sind Adjustment-Filme, die zwischen den Regisseur (den Chairman) und das Publikum graue Figuren schalten, die bei nie vorhersehbaren Plot-Points, langwierige Erklaerungen abgeben, damit die naechste Erzaehl-Phase halbwegs verstaendlich wird, vergleichbar den Intros zu Spiele-Leveln, die man sich in stumpfer Langweile anschaut.
Im digitalen Effektekino ist das Adjustment laengst etabliert, neu ist seine Adaption auf herkoemmliche Genres wie Thriller, Dramen oder Horrorfilme. Der paradigmatische Typus dieses neuen Kinos ist vielleicht Inception, der es ueber seine gesamte Laenge von zweieinhalb Stunden nicht schafft, mit dem Erklaeren seiner Grundidee zu einem Ende zu kommen. Selbst auf der Hoehe seines verschachtelten Finales entzieht er dem visuellen Geschehen jede Plausibilitaet und Nachvollziehbarkeit, indem er eine neue Ebene einzieht, von der vorher nie die Rede war und die voellig neue Voraussetzungen schafft. James Wans Insidious ist ein Beispiel fuer einen Adjustment-Horrorfilm, der, anstatt seine interessante Haunted-House-Exposition plausibel durchzudeklinieren, ploetzlich nerdige Ghostbuster ins Spiel bringt und ein Medium, das in schlechtester Adjustment-Manier einen Monolog ueber irgendein abstruses Jenseits abgibt, in dem sich nach Einfuehrung immer neuer Elemente ein sowohl raeumlich wie zeitlich nicht nachvollziehbarer Showdon abspielt.
TAB dekliniert das Adjustment-Modell fuer die Liebesgeschichte durch und produziert dabei am laufenden Meter Momente, in denen der Suspension of Disbelief, der den Vertrag zwischen Erzaehler und Zuhoerer moeglich macht, aufgehoben wird. Zufall oder goettliche Fuegung? Indem Damon und Blunt wider alle Anstrengungen der grauen Maenner des Adjustment Bureau fuer ihre Liebe kaempfen und dem Chairman von der Schippe springen, landen sie nicht in der Freiheit, sondern im Gefaengnis der Idee einer schicksalhaften Liebe, an deren Erfuellung der Film von Anfang an keinen Zweifel laesst. Auf der Strecke bleibt bei dieser Art programmierten Erzaehlens neben dem Humor (er wuerde die gesamte absurde Konstruktion sofort zum Einsturz bringen) jede Plausibilitaet des Handelns der Figuren und deren moralische Integritaet. Die Behauptung des Films, dass Emily Blunt eine ganz besondere Frau ist, die fuer ihr Glueck den Mut aufbringt, die Seitentueren und Wurmloecher des Schicksals zu durchqueren, wird ad absurdum gefuehrt in der Figur von Damons Nebenbuhler Adrian, den sie an seinem Hochzeitstag auf dem Standesamt stehen laesst. Da sie ihm genau dieselben zaertlichen Worte gesagt haben wird wie Damon und auch ihm die ewige Liebe geschworen, ist sie fuer mich nur eine dumme Goere, das sich nicht entscheiden kann.
Es gibt nicht zu entscheiden in Adjustment-Filmen. Es steht nichts auf dem Spiel, denn dessen Karten werden staendig neu gemischt. Solche Filme sind fuer mich nur zu ertragen, wenn ich mich, Walter Benjamin befolgend, an den kleinen Sprung in der Katastrophe klammere, d.h. mich leidenschaftlich fuer eine Figur interessiere und ihr die Daumen druecke, auch wenn sie vom gnadenlosen Plot-Chairman nur kurz ins Rampenlicht gerueckt wird. Adrian!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen