03 März 2013

Die Rückkehr der leitenden Reichen

Liebe Masochisten und Selbstverstümmler, „erbärmlich gespielt“, „Actiongülle“, „politisch nicht sehr korrekt“, „wir raten ab!“ – was Verfechtern der guten Sitten als Warnung dient, sorgt bei unsereinen für erhöhten Speichelfluss. Im März, wenn Anhänger anderer Glaubensrichtungen Schmalhans zum Küchenmeister machen, hauen wir uns so richtig den Bauch voll mit fünf filmischen Entgleisungen, die es garantiert nie auf die Sight & Sound-Liste der besten Filme aller Zeiten schaffen werden. Ihr wisst schon: Vertigo, Citizen Kane und all die anderen reitenden Leichen, die im Kanon des guten Geschmacks seit Jahren vor sich hin gammeln …



3.3., 14.30 Uhr: DUNKLE WINKEL AUF DEM KIEZ
BRD 1970, Regie: Alfred Weidenmann, Buch: Herbert Reinecker, Musik: Peter Thomas, mit: Jean-Claude Pascal, Janie Murray, Joseph Offenbach, Werner Peters, Charles Regnier, Alfred Schieske, Gernot Endemann , René Durand, Christa Siems
Endlich wieder ein St.-Pauli-Film, und was für einer: Es spielen u.a. der französische Sänger Jean-Claude Pascal (er gewann 1961 den Grand Prix), der legendäre, am 17. Januar 2013 verstorbene Rotlicht-Impresario René Durand (sein sagenhaftes Livesexlokal Salambo scheint einer der Drehorte zu sein), dazu Kino-, TV- und Bühnengrößen wie Joseph Offenbach (Die Unverbesserlichen), Werner Peters (Der Untertan), Charles Regnier oder Ohnsorg-Star Christa Siems. Im Dokudrama-Stil erzählen Regisseur Alfred Weidenmann (Buddenbrooks) und Autor Herbert Reinecker (Der Kommissar, Derrick) von Schicksalen auf dem Hamburger Kiez, die sich alle innerhalb von 24 Stunden zutragen – von Huren, Stripperinnen, Zuhältern, Polizisten, Ganoven, Zechern, Studienräten, Gymnasiasten. Dazu schrieb Komponist Peter Thomas (Raumpatrouille) genial-grenzwertige Tracks wie „Haschkeller“ oder „Lesbische Nummer“. Natürlich verurteilte die katholische Kirche „dieses schmuddelige Stück Hintertreppe“ mit seiner „falschen Volkstümlichkeit“ (film-dienst) und gab die schon klassische Empfehlung: „Wir raten ab.“ Bizarre Cinema freut sich, den „Episodensalat“ (f-d) eines zweiten Blickes zu würdigen.
Text und Einführung: Peter Clasen

10.3., 14.30 Uhr: DIE RÜCKKEHR DER REITENDEN LEICHEN
E/D 1973, Regie: Amando de Ossorio, 83 min., 35 mm, DF, mit Tony Kendall, Fernando Sancho
In einem Dorf wird das 500-jährige Jubiläum des Sieges über die Tempelritter gefeiert, die einst von den Bauern in Lynchjustiz geblendet und verbrannt wurden. Doch just in dieser Nacht erheben sich die blinden Untoten, besetzen das Dorf und veranstalten ein Gemetzel unter den Nachkommen derer, die sie einst richteten. Einige Bewohner können sich in die Kirche retten, doch eine Flucht scheint aussichtslos. De Ossorios Zyklus um die verwesten Tempelritter ist das bis heute bekannteste spanische Horrorfilm-Produkt und zählte bis in die achtziger Jahre zum festen Repertoire aller Programmkinos. Der zweite Film der Reihe rückt ohne Umschweife das grausige Treiben der Untoten in den Mittelpunkt und begeistert trotz eines minimalen Budgets mit seiner klaustrophobischen Atmosphäre.
Text und Einführung: Mike Schimana

17.3., 14.30 Uhr: WILD RIDERS
USA 1971, 91 Min., 35 mm, OF, Regie: Richard Kanter, mit Alex Rocco, Elizabeth Knowles, Sherry Bain
Nicht sehr nett, was hier passiert: Zwei durchgeknallte und höchst unmoralische Biker, von denen einer sogar Müll frisst, belästigen, schlagen und vergewaltigen zwei schicke Ladys aus der High Society und machen es sich in der Villa gemütlich – bis der Hausherr von der Arbeit kommt. Sex und Gewalt – das sind hier die Zauberworte dieses grimmigen Bikerfilms. Politisch nicht sehr korrekt und dann auch noch erbärmlich gespielt. Immerhin: Das Ende, in dem einer der Ehemänner ernstlich böse wird und zu einer ungewöhnlichen Waffe greift, hat man so noch nicht gesehen.
Text und Einführung: Michael Ranze

deliria-italiano.de präsentiert:
24.3., 14.30 UHR: PACO – KAMPFMASCHINE DES TODES
Italien 1986, R: Sergio Martino, 90 Min., DF, mit Daniel Greene, Janet Agren, Claudio Cassinelli, George Eastman, John Saxon
1986, als der italienische Unterhaltungsfilm seine besten Zeiten bereits hinter sich hatte, wollte es Regisseur Sergio Martino mit Paco noch einmal wissen – ein bisschen Endzeit, ein bisschen Science-Fiction, ganz viel Actiongülle, 80er-Ästhetik und eine bemerkenswerte Darstellerriege, das ist Vendetta dal futuro. Als Hauptdarsteller für diesen damals geschäftstüchtig-zeitgemäßen Cyborg-Action-Exploiter konnte man Daniel Greene gewinnen, der den zu 70 Prozent aus Ionen bestehenden Paco Queruak mimt – eine künstlich erschaffene Kampfmaschine, die in einer nahen Zukunft im Auftrag viel zu mächtiger Industrieller einen ihnen gefährlich werdenden, oppositionellen Politiker eliminieren soll. Doch unser Paco ist eben zu 30 Prozent auch noch menschlich, und da er grundsätzlich kein schlechter Kerl ist, sucht er das Weite – logisch, dass von nun an seine „Auftraggeber“ hinter ihm her sind. Ein quietschvergnügtes Potpourri aus vielem, was seinerzeit im Actiongenre so angesagt war. Kratzt stark an der Trashgrenze und überschreitet sie recht häufig auch behände und ohne viele Skrupel, inklusive weiblichem Cyborg-Killerkommando mit Schlampenminirock, überdimensionaler Laserkanone, Explosionen, Stunts, Gewalt, Spezialeffekten, psychopathischem George Eastman und herzausreißender Romanze.
Text und Einführung: deliria-italiano.de

31.3., 14.30 Uhr: RABBITS
USA 1972, Regie: William F. Claxton, 86 min., 16mm, DF, mit Stuart Whitman, Janet Leigh, Rory Calhoun, DeForest Kelley
Invasion der Karnickel! Was bisher nur für Farmer bedrohlich klang, jagt plötzlich allen Angst ein. Weil die Tochter eines Wissenschaftlerpaares es nicht ertragen kann, dass ihr Lieblingsbunny zu Schaden kommt, nehmen die Dinge ihren Lauf. Sperrt die Kühe weg, die Kaninchen kommen!
Text und Einführung: Lillian Robinson

 

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