15 März 2010

Auf der Suche nach was Schönem

So werden Legenden geboren. Inmitten von Ausflugtouristen auf der Hallig Hooge taucht plötzlich ein Mann auf, an den Füßen trägt er Cowboystiefel, sein gewaltiger Leib ist in ein rotes Handtuch gehüllt, Schultern, Rücken und Herrentitten sind von der Sonne verbrannt, es ist Sommer. Mit der Fähre fährt die schwitzende Erscheinung, eine Mischung aus Jesus und der Mutter aus den Helge-Schneider-Filmen, rüber nach Schlüttsiel, und von da geht es weiter im alten Mercedes nach Hamburg. Bei einem befreundeten Hunde-Friseur wird das Handtuch gegen abgetragene Pudel-Garderobe eingetauscht („Das riecht ja wie ein ganzes Seniorenheim beim Kniebeugen-Machen“), dann geht es direkt nach Hause zu Mutti und Sohn, Hähnchen essen und aufs Ohr hauen. „Fressen und pennen, sonst kannst du nix“, meckert der Sprössling. „Man kann doch mal Pech haben“, antwortet King Harry.

Elvis und Presley in Personalunion:
King Harry (rechts) und
Regisseur Torsten Stegmann


Harry ist eine dieser Figuren, wie man sie mittlerweile aus vielen Hamburg-Filmen kennt, „ein trauriges Raubtier, ein besoffener Heiliger“ (Rainer Knepperges), der mit nichts in der Hand außer einer Plastiktüte oder einer Gitarre in die Stadt kommt, um sein Glück zu versuchen. Mal treten sie aus Gefängnistoren, wie in Klaus Lemkes Rocker und Paul, mal kommen sie aus der Provinz wie in Henna Peschels Madboy, immer aber haben sie das Beste noch vor sich und eine große Schnauze. Auch im wirklichen Leben, denn die Grenze zwischen Darsteller und Figur, zwischen Realität und Fiktion ist in diesen Filmen schwer zu bestimmen. Bei Harrys Comeback – Letzter Puff vor Helgoland gilt das vielleicht noch mehr als bei seinen Vorbildern: Harrys Mutter, Harrys Sohn, Harry selber spielen sich selbst in der Wohnung, in der Harry tatsächlich bei seiner Mutter lebt, Hühnchen ist wirklich seine Lieblingsspeise – und Pech hat er auch schon viel gehabt.

Der Filmemacher Torsten Stegmann ist ein Bewunderer Klaus Lemkes, ein enger Freund Henna Peschels und Ko-Regisseur von Teil 4 der Rollo Aller-Tetralogie. Harry Hartz hat er über dessen Sohn Gregor kennengelernt, der jahrelang sein Mitbewohner war. Aus der Idee, einen Dokumentarfilm über den Elvis-Imitator zu machen, entstanden ein Kurzfilm und schließlich der Spielfilm. Dieser erzählt davon, wie Harry seine Kumpel Chucker und Kahn zusammentrommelt, um alte Kiez-Schulden einzusammeln, von einem Killer verfolgt wird und schließlich in einer Karaoke-Bar landet, wo er „Elvis und Presley in Personalunion“ gibt. Wichtiger als die Handlung ist aber die Punk-Haltung, aus der der Film entstanden ist, der von Hauptfigur und Regisseur geteilte Glaube an die Freundschaft, das Sprücheklopfen, die Selbstüberschätzung und die Inspiration des Moments.

Und an die Stadt Hamburg. Erstaunlich ist die Fülle an Orten und illustrer Stars, die in den 70 Minuten des Films zu sehen sind: Reverend Christian Dabeler, bekannt als „Daddel“ aus den Rollo Aller-Filmen, jagt als pathologischer Killer in einer Auto-Verfolgungsjagd die drei Helden durch den Freihafen, in der Villa, in der Paul und Moritz lieber Moritz gedreht wurden, logiert die Russenmafia, Rocko Schamoni kauft für 20 Euro einen Kupferstich („ein echter Hinsch“) für den Pudel-Salon, und Matthias „Tex“ Strzoda gibt den lakonischen Besitzer der Karaoke-Bar. Keiner der beteiligten Schauspieler und Techniker haben Geld bekommen, den Soundtrack hat Reverend Christian Dabeler beigesteuert, gedreht wurde mit drei verschiedenen Kameras, die für 2,50 pro Tag von TIDE ausgeliehen wurden, in den kleinen Graceland-Studios arbeitete der Tontechniker Marko Peter Bachmann in den Abendstunden und am Wochenende am Ton des Films. Es hat sich gelohnt, der Mann im roten Handtuch ist jetzt unsterblich. Bei der Premiere wird er trotzdem wieder sein Elvis-Kostüm tragen.

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Die Weltpremiere von Harrys Comeback – Letzter Puff vor Helgoland findet am Samstag, den 20. März, um 21.15 Uhr im Metropolis-Kino statt. Es werden viele Gäste erwartet. Mehr Infos finden sich hier und hier. Vorher, um 19 Uhr, gibt Curd Jürgens in Rolf Olsens Der Arzt von St. Pauli den Mann, dem die Nutten, Penner und Luden vertrauen.

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