Samstag, 3. Januar, 23.30 Uhr, Arte: Staub von Hartmut Bitomsky
Nach dem Staubwischen ist vor dem Staubwischen, das ist die Maxime der Hausfrau, der wir in Hartmut Bitomskys Staub bei der Arbeit zusehen dürfen. Sie macht es täglich und sehr gründlich. Sogar das Innere des Fernsehers kommt bei ihr einmal die Woche dran: "Sie glauben ja gar nicht, was sich dort alles ansammelt." Dieser Putzteufel ist eine von vielen Staub-ExpertInnen, die Bitomsky für seinen Essayfilm gesammelt hat. "Essayfilm" deshalb, weil der Regisseur seinen Gegenstand weniger umfassend dokumentiert als dass er ihn entlang subjektiver Eingebungen und Fragen umkreist. Wobei er schon ganz am Anfang im Bild eines Besens und einer Kehrichtschaufel deutlich macht, dass er als Filmemacher dass Schicksal seiner Staub-Spezialisten teilt: Ganz habhaft werden kann man dieser flüchtigen Materie niemals, ein feiner Reststreifen bleibt immer.
Bitomsky holt den Zuschauer beim Profanen ab und bewegt sich dann zunehmend in sublimere und speziellere Gebiete des menschlichen Umgangs mit Kleinstpartikeln. Ein Botaniker erläutert die Relevanz von Staub für den Wasserhaushalt von Pflanzen, eine Künstlerin zeigt stolz ihre Flusensammlung, in einer Staubtestanlage wird man Zeuge einer militärischen Belastungstest mit einem Granatwerfer, und schließlich erläutern Astrophysiker, die in ihrem Labor die Kollisionen von Atomen beobachten, dass aus diesen Staub-Detonationen das Weltall entstanden ist.
Staub ist aber nicht nur ein spannender Exkurs über einen Gegenstand, der einem zu nahe ist, als dass man ihm bisher viel Beachtung geschenkt hätte. Bitomsky gelingt außerdem ein filmisches Requiem zur Industriearbeit, jener Organisationsform menschlicher Betriebsamkeit, von der heute nur noch Ruinen und Halden übrig sind, die immer wieder ins Bild gesetzt werden. Die postindustrielle Arbeit ist dagegen clean und maschinendominiert. Versinnbildlicht wird sie durch die zunehmend abstrakten Erklärungen der Spezialisten zu ihren Apparaten, die ein fröhliches Eigenleben zu führen scheinen, und den immer wiederkehrenden Szenen von Putzfrauen, die gemessenen Schritts ihrer Sisyphos-Arbeit nachgehen.
"Dies ist vielleicht der letzte Arbeitsplatz der Welt", orakelt Bitomsky zu den Bildern einer Vakuum-Kammer, in der zwei Reinigungskräfte den Staub entfernen. Allerdings tragen sie ihn auch erst hinein. Mit der Arbeit ist es halt Gott sei Dank wie beim Staub selbst: Ein kleiner Rest bleibt immer.
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