08 Dezember 2012

Back to the Future: 1981

Ja, auch wir von Bizarre Cinema sind in den frühen 80ern mit Fotos von Simon Le Bon und Paul Young zum Friseur gegangen und haben gesagt: So will ich aussehen. Auch wir haben vor dem Spiegel zu den Thompson Twins und Kajagoogoo getanzt und hatten Starschnitte von Molly Ringwald und Michael J. Fox an der Wand. Und auch wir haben mit verschwitzten Händen verbotene VHS-Tapes in willige Recorder-Öffnungen geschoben und haben schon bei der Trailershow vorzeitig ejakuliert. Bizarre Cinema beginnt das Jahr 2013 mit einer Reise in das Jahr 1981 – und in eine noch fernere Vergangenheit, die von der Zukunft träumt. (Alle Filme im Metropolis)



6.1.2013, 14.30 UHR: TOT UND BEGRABEN
USA 1981, R: Gary Sherman, 92 Min., DF, mit James Farentino, Melody Anderson, Jack Albertson
Der Titel lässt es schon ahnen: Wer als Tourist in das beschauliche neuenglische Kaff Potter’s Bluff kommt, weilt nicht lange unter den Lebenden – und sucht die nebelverhangenen Straßen und maroden Häuser des Städtchens alsbald als Untoter wieder heim. Der Sheriff und der exzentrische Bestattungsunternehmer des Ortes haben bald alle Hände voll zu tun. Gary Shermans zweiter Spielfilm nach Raw Meat (dt.: Tunnel der lebenden Leichen) bietet alles, was die frühen 80er für Horrorfans unwiderstehlich macht: erzählerische Ökonomie, eine morbide Grusel-Atmosphäre, irre Drehbucheinfälle (Koautor Dan O’Bannon war u.a. für Dark Star, Alien und Return of the Living Dead verantwortlich) und knallharte Splatter-Effekte von Stan Winston (The Thing, Terminator, Jurassic Park).
Text und Einführung: Volker Hummel



13.1.2013, 14.30 Uhr: DAS TIER
USA 1981, R: Joe Dante, mit Dee Wallace (Karen White), Patrick Macnee (Dr. George Waggner), Belinda Balaski (Terry Fisher), Dennis Dugan (Chris), Christopher Stone (Bill Neill), Kevin McCarthy (Fred Francis), Slim Pickens (Sam Newfield), John Carradine (Erle Kenton), Kenneth Toby (alter Polizist), Dick Miller (Walter Paisley)
Nach einem Blind Date mit einem Serienkiller im Pornokino ist TV-Reporterin Karen White (Dee Wallace, E.T., Cujo, Critters) reif für eine Therapie im Sanatorium von Dr. George Waggner (Mit Schirm, Charme und Melone-Star Patrick Macnee alias John Steed). Es liegt in einem idyllischen Wald und beherbergt reizende andere Patienten, nur das Heulen nächtlicher Kreaturen lässt Karen die Haare zu Berge stehen … Kein böser Fluch wie in anderen Werwolf-Filmen, sondern der Weckruf sexueller Potenz! Im selben Jahr entstanden wie John Landis’ An American Werewolf in London, halten viele Kenner Joe Dantes Film für den besseren. Das vom zweifach Oscar-nominierten John Sayles (Lone Star) polierte Drehbuch amüsiert mit Ironie und Witz, viele Rollennamen zitieren Regisseure des Horrorgenres, legendäre Altstars wie Kevin McCarthy (Invasion der Körperfresser) oder John Carradine (House of Dracula) spielen kleine Rollen, Fans und Promis wie Sci-Fi-Sammler Forrest Ackerman oder Trashpapst Roger Corman haben Cameo-Auftritte. Vor allem aber faszinieren die Verwandlungstricks von Make-up-Experte Rob Bottin (The Thing, RoboCop) – die wohl besten, gruseligsten und haarigsten, die je in der analogen Ära für einen Werwolf-Film entstanden.
Text und Einführung: Peter Clasen



20.1.2013, 14.30 Uhr: ERINNERUNGEN AN DIE ZUKUNFT
BRD 1970, R: Harald Reinl, 94 Min., Musik: Peter Thomas
Nach dem Bestseller des Prä-Astronautik-Experten Erich von Däniken kam dieser Film in die Kinos. Ein fragwürdiger Archäologie-Mondo, der die Thesen um den einstigen Besuch von Außerirdischen anhand rätselhafter Relikte früher Kulturen untermauert. Mit Popmusik, dem Pathos des Off-Sprechers und Bildern aus aller Welt werden manipulativ-faszinierende Erscheinungen als wissenschaftliche Beweise angeführt. Als noch keine TV-Magazine die kargen Bedürfnisse des kunstlosen Publikums bedienten, bot das Kino den feierlichen Ort dafür, und schillernde Sensationsreporte wie dieser waren für den Oscar nominiert.
Text und Einführung: Thorsten Wagner



27.1.2013, 14.30 Uhr: PIECES
Spanien 1981, Regie: Juan Piquer Simon, 89 Min., OF, mit Christopher George, Frank Braña, Linda Day
Der Drehbuchautor Joe D’Amato und das Produzententeam Dick Randall und Steve Minasian (Last House on the Left, Freitag der 13.) geben die Marschrichtung vor für dieses spanische 80-Jahre-Splatter-Vehikel, dessen Trash-Faktor selbst eingefleischte Bizarre-Cinema-Fans in Fassungslosigkeit versetzen sollte. Man warb damals in den USA mit dem schönen Spruch: „You don’t have to go to Texas for a Chainsaw Massacre“ – in Spanien verlieh man den Film unter dem Titel Mil gritos tiene la noche („Tausend Schreie hat die Nacht“). Ein Killer mit Kettansäge zerlegt weibliche Jugendliche an der Universität von Boston zu handlichen Tapas. Begründung: schwierige Kindheit. Mama hatte ihm als Kind das Puzzlespiel mit dem Motiv einer halbnackten Senorita weggenommen. Der Film genießt bis heute unter spanischen Splatter-Nerds unerreichten Kultstatus und kam in der BRD nie zur Erstaufführung. De puta madre!
Text und Einführung: Jan Fangmeier und der spanische Regisseur und Musiker Dani Moreno, dessen Filme am Freitag, 25.1., im Komet und am Samstag, 26.1., im B-Movie zu sehen sind

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Now you see it …


… now you don’t.

Ein hell erleuchteter Raum. Rechts eine Treppe. Auf dem oberen Absatz die Silhouetten zweier Menschen. Ein Messer blitzt auf. Eine der Gestalten, eine hohe, dunkel gekleidete Figur, springt über das Geländer, rennt nach links zu einer kleinen Tür und verschwindet dahinter. Die andere, eine junge Frau in weißem Hosenanzug, schleppt sich die Stufen herab. Sie ist blutüberströmt. Sie taumelt zwischen merkwürdig aussehenden Statuen herum: eine riesige Vogelkralle, eine Schwangere, ein Tintenfass. Sie schreit, aber durch das Glas kann man sie kaum verstehen. Etwas stimmt nicht mit diesen Bildern.

Diese Sequenz ist die Urszene des Schaffens von Dario Argento: Sie steht nicht nur am Anfang seines ersten Films Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe, sondern ist eine der Primärszenen von Argentos Werk, des Giallos und des Horrorfilms überhaupt. Sie enthält alles, was eine Freudsche Primärszene braucht: einen Mann, eine Frau, eine Waffe, eine Bühne und einen Betrachter. Dieser befindet sich, und das macht die Genialität der Szene aus, in einer Art Glaskäfig. Gefangen zwischen zwei elektrischen Schiebetüren, ist er zum Betrachten der Szene gezwungen, ohne in sie eingreifen zu können. Ein Schicksal, das der Zuschauer mit ihm teilt. Und genießt.

Was die Giallos von anderen Thrillern und Kriminalfilmen unterscheidet, ist neben ihrer Vorliebe für schwarze Handschuhe, subjektive Kamera, sexualisierte Gewalt, Fetischisierung von Körpern und Objekten, das alle diese Bestandteile verbindende Wissen um die Unheimlichkeit des Betrachtens von Kinobildern. Töten und Schauen, Killer und Zuschauer gehen im Giallo eine Allianz ein. Die Bilder, deren Zeuge die Antihelden der Giallos und wir als Zuschauer werden, sind keine neutralen Dokumente eines Verbrechens, ihnen ist dieses Verbrechen als Erinnerung an andere, ersehnte, verdrängte Bilder eingeschrieben. Im Giallo wird der Fall nicht nur durch Ermittlung in der äußeren Welt, sondern durch die Erforschung des eigenen Unbewussten gelöst. Der Giallo ist regressiv. Wiederholung. Fetischisierung. Was habe ich übersehen? Was habe ich schon mal gesehen? Was stimmt nicht mit diesen Bildern?

It’s Giallo Time bei Bizarre Cinema!

9.12., 14.30 Uhr: Sieben Jungfrauen für den Teufel (1968) von Antonio Margheriti

16.12., 14.30 Uhr: Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe (1970) von Dario Argento

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