09 Februar 2014

Mission: Film the Impossible

Bizarre Cinema Expanded: Die Filme von Brian De Palma
„I didn’t know what to expect and it was really doing something with my mind … I don’t understand it … Very very very very intruiging … Well, it’s all technique … Oh, it’s lovely … Delighted to see such marvelous colors … It looks like photograph records … It confuses me … Very interesting, all these things to be moving … It’s the kind of a thing a madman might put on a cell wall in order to drive somebody crazy … It’s just a little bewildering and upsetting and I prefer not to look at it after a while … I don’t get anything from it at all … This is what art has come to … It wouldn’t make good linoleum … I’d say it’s all more or less mathematics … Brillant“ (Besucher beim Eröffnungsabend der Op-Art-Ausstellung „The Responsive Eye“ 1965 im Museum of Modern Art) 
Von Februar bis April wird sich Bizarre Cinema im Metropolis-Kino durch das Werk von Brian De Palma arbeiten, dessen Filme Publikum und Kritik immer schon in zwei Lager gespalten haben: Die einen bewundern seinen exzessiven visuellen Stil, seine Zitierfreude, seine Lust an schmutzigem Sex und überkandidelter Gewalt, sein cleveres Spiel mit den Zuschauererwartungen. Die anderen beklagen seinen exzessiven visuellen Stil, seine Zitierfreude, seine Lust an schmutzigem Sex und überkandidelter Gewalt, sein manieriertes Spiel mit den Zuschauererwartungen. Worin sich alle einig sind: Brian De Palma ist ein besessener Bild-Gestalter, der dem Kino viele unvergessliche Sequenzen geschenkt hat: die Glamrock-Bühnenshow aus Phantom of the Paradise, den Blutregen aus Carrie, den Fahrstuhlmord aus Dressed to Kill, das Slasher-Feuerwerk am Ende von Blow Out, Al Pacino auf Koks in Scarface. Doch De Palma ist nicht nur ein cleverer Oberflächengestalter, durch sein nunmehr 50 Jahre umfassendes Werk ziehen sich eine Reihe konsistenter Motive, die sich bis zu seinem eher an Godard als an Hitchcock orientierten Frühwerk zurückverfolgen lassen. Filme wie Greetings und Hi, Mom! offenbaren De Palma als politischen Regisseur, dessen visueller Extravaganz eine medienkritische Methode innewohnt. Hinter all den manipulativen und voyeuristischen Männerfiguren, die den Frauen mit phallischen Apparaten wie Kameras, Mikrofonen und Werkzeugen zuleibe rücken, hinter all den Perspektivwechseln, den Split-Screen-Exzessen und erzählerischen Meta-Ebenen von De Palmas Werk steht die Frage nach dem Vermögen des Kinos, die Grenzen zwischen Erfahrungswelten, zwischen den Rassen, zwischen Frauen und Männern zu überwinden. Anfang April erwarten wir den australischen Filmwissenschaftler Adrian Martin und die spanische Filmwissenschaftlerin Cristina Álvarez López als Gäste, die an einem Buch über De Palma arbeiten und einen Vortrag zu seinem neuen Film Passion halten werden.


Greetings
USA 1968, 88 Min., DVD, OF, Regie: Brian De Palma, mit: Robert De Niro, Gerrit Graham, Jonathan Warden
De Palmas zweiter Langfilm folgt drei jungen Männern bei ihren Versuchen, Mädchen aufzureißen, das Rätsel des Kennedy-Attentats zu lösen und dem Kriegsdienst zu entkommen. In spielerischster Godard-Manier bedient sich De Palma eines improvisatorischen Gestus und einer Vielzahl filmischer Stilmittel wie Texttafeln, beschleunigten Bildfolgen und Jump-Cuts, um ein Spät-60er-Psychogramm männlicher Ängste und Obsessionen zu entwerfen: Computerdating, der Zapruder-Film, Vietnam, Voyeurismus. Wie in allen Filmen De Palmas erscheinen die Männer als manipulative, aber letztlich hilflose Jungs, die durch die Körper der Frauen die Kontrolle über sich selbst und die Welt erlangen wollen. In seinem ersten Langfilm war der damals noch unbekannte Robert De Niro so elektrisierend, dass De Palma ihn seine Rolle als Sexfilme drehender Vietnamrekrut Jon Rubin in Hi, Mom! weiter ausbauen ließ.
Vorfilm: The Responsive Eye (USA 1966, 25 Min.)
18.2., 19 Uhr, Einführung: Volker Hummel

Hi, Mom!
USA 1970, 87 Min., 35mm, OF, Regie: Brian De Palma, mit: Robert De Niro, Jennifer Salt, Charles Durning
Jon Rubin (Robert De Niro), der am Ende von Greetings nach Vietnam einberufen wurde, ist nach New York zurückgekehrt. Er mietet eine heruntergekommene Wohnung, weil sie einem modernen Apartmentkomplex mit großer Fensterfront gegenüberliegt: Von hier aus will er in Ruhe seiner Berufung als voyeuristischer „Peep Artist“ nachgehen, der seine Sexfilmchen der Realität abschaut. Aus der herrlich pervertierten Fenster zum Hof-Variation, der ersten den Plot bestimmenden Hitchcock-Referenz im Werk De Palmas, entwickelt sich keine Mordgeschichte, sondern eine ungemein witzige, anarchische und komplexe Komödie über die Unwägbarkeiten der Wahrnehmung. Die „Be Black Baby“-Sequenz, ein Film im Film über eine misslungene oder vielleicht auch allzu gut gelungene Performance, ist einer der intelligentesten Reflektionen der Kinogeschichte über die Beziehungen zwischen Weißen und Schwarzen.
Vorfilm: Woton’s Wake (USA 1962, 20 Min.)
18.2., 21.15 Uhr, Einführung: Volker Hummel // 22.2., 21.15 Uhr

Sisters

USA 1973, Brian de Palma, 90 Min., 35mm, OF, mit Margot Kidder, Jennifer Salt
Eine Journalistin beobachtet einen Mord durch ihr Apartmentfenster. Als die Polizei weder Leiche noch Spuren findet, stellt sie auf eigene Faust Nachforschungen an. Doch je mehr sie über den Fall herausfindet, desto tiefer verstrickt sie sich in ein Geflecht aus Voyeurismus, Besessenheit und Wahnsinn. De Palma liefert mit einem seiner ersten Filme eine Art Hommage an Hitchcocks Fenster zum Hof ab, konzentriert sich allerdings auf die psychosexuelle Ebene. Roger Ebert nannte diese Variation das „Eigenleben“ von Sisters: Wir glauben, den Krimiplot zu kennen, De Palma aber inszeniert dezidiert ambivalent, verstört uns damit in unser vermeintlichen Sicherheit als Zuschauer und droht stets, uns den Teppich unter den Füßen fortzureißen.

21.2., 19 Uhr, Einführung: Jan Minck // 23.2., 21.15 Uhr


Obsession
USA 1976, Brian De Palma, 98 min., BluRay 16mm, OF, mit Cliff Robertson, Geneviève Bujold, John Lithgow
Michael Courtland, ein erfolgreicher Geschäftsmann aus New Orleans, verliert durch eine Entführung Frau und Kind. Mehr als ein Jahrzehnt später ist er noch immer in Trauer erstarrt. Als er in Florenz der Italienerin Sandra begegnet, scheint ein neues Glück möglich. Doch am Abend ihrer Hochzeit droht ein Alptraum sich zu wiederholen.
25.2., 19 Uhr, Einführung: Lillian Robinson // 28.2., 21.15 Uhr

Carrie
USA 1976, Brian De Palma, 98 Min., 35mm, OF, mit Sissy Spacek, Piper Laurie
Von all seinen cineastischen Märchen über das Geheimnis des weiblichen Körpers und die ungeheure Macht der Fantasie ist Carrie De Palmas blutigstes und zugleich zartestes Werk. Untermalt vom kongenialen Score Pino Donaggios, der in den folgenden Jahren zu De Palmas Stammkomponist wurde, erzählt der Film die Geschichte des telekinetisch begabten Mädchens Carrie White, dessen erste Monatsblutung unter der Schuldusche zu Hänseleien ihrer Mitschüler und zur Züchtigung durch ihre fanatisch religiöse Mutter führt. Was in anderen Filmen über Freud und Leid der Jugendzeit komödiantisch oder sozialpädagogisch unter den Teppich gekehrt wird, drängt in diesem visuell atemberaubenden Adoleszenz-Schocker unaufhaltsam an die Oberfläche: Scham, Lust, Einsamkeit, Blut, Sadismus und der schöne Wahn, im eigenen Untergang die ganze Welt mit auszulöschen.
1.3., 21.15 Uhr // 3.3., 21.15 Uhr // 4.3., 21.30 Uhr


The Fury
USA 1978, Brian De Palma, 118 Min., BluRay, OF, mit Kirk Douglas, Carrie Snodgrass, John Cassavetes, William Finley
Nachdem Brian De Palma bereits 1976 in Carrie die tödliche Kraft der Gedanken illustrierte, mixt er die Themen Parapsychologie und Telekinese hier mit einer abstrusen Spionagegeschichte: Ein skrupelloser Wissenschaftler in Diensten der US-Regierung (John Cassavetes) lässt übersinnlich begabte Teenager entführen, um sie zur scharfen Waffe zu formen, die er an den meistbietenden Araber verhökern kann. Doch ein besorgter Vater und Ex-Geheimagent (sportiv: Kirk Douglas) nimmt die Suche auf… Stilistisch grob uneinheitlich (die tragische Geschichte wirkt teils unfreiwillig komisch und wird mit blöden Witzen angereichert), wird die krude Story einigermaßen von John Williams genialer Musik zusammen gehalten. Und Sequenzen wie die „Vision auf der Treppe“, die Kettenkarussell-Katastrophe oder das widerlich orgiastische Blutfinale wird man nie wieder los.
5.3., 21.15 Uhr, Einführung: Peter Clasen // 6.3., 21.15 Uhr // 7.3., 21.15 Uhr


Dressed to Kill 
USA 1980, Brian De Palma, 105 Min., 35mm, DF, mit Michael Caine, Angie Dickinson, Nancy Allen
Murder à la De Palma: Wer ihn einmal gesehen hat, diesen Mord im Fahrstuhl, wird ihn ebenso wenig wieder vergessen wie Hitchcocks Duschszene aus Psycho. Auch sonst hat sich De Palma hier wieder großzügig bei seinem großen Vorbild bedient, es gibt eine sexuell frustrierte Blondine, Cross-Dressing, Voyeurismus, eine an Vertigo erinnernde Museumssequenz. Hinter dieser Zitatfreude verbirgt sich jedoch kein Epigonentum, sondern ein außerordentlich reflektiertes Spiel mit geschlechtlichen Ambivalenzen und den Seherfahrungen des Zuschauers. Ein Spiel, das sich auch missverstehen lässt: Zusammen mit William Friedkins Cruising war Dressed to Kill der meistgehasste Film der neuen Dekade, feministische Gruppen bezeichneten ihn als „Meisterwerk der Mysogynie“ und protestierten vor den Kinos. Heute gilt dieser Fiebertraum von einem Thriller als ein Meilenstein des Genres.
8.3., 21.15 Uhr // 9.3., 21.15 Uhr // 10.3., 19 Uhr

Blow Out
USA 1981, Brian De Palma, 107 Min., 35mm, OF, mit John Travolta, Nancy Allen, John Lithgow, Dennis Franz
Die Geschichte des Tontechnikers Jack Terry, der mit seinem Richtmikrofon bei einer nächtlichen Aufnahmesession im Wald nicht nur Frösche und Eulen, sondern auch die akustischen Spuren eines Attentats aufzeichnet, zeigt De Palma auf der Höhe seiner Kunst. Blow Out markiert wie kein zweiter Film den Übergang von den 70ern in die 80er, er ist extrem sleazy und slick zugleich, ein Film der geradezu spürbaren Zersetzung auf allen Ebenen und eine Feier der Farben und Oberflächen, voller Melancholie und Zynismus, ein letztes Aufbäumen gegen allgegenwärtige Manipulation und zugleich selbst brutal manipulativ, vor allem im obszön rauschhaften Slasher-Finale. Ein Film der perfekten Balancen, in dem alles aus dem Lot geht. Travolta war sowieso nie besser.
11.3., 21.15 Uhr, Einführung: Volker Hummel // 12.3., 21.15 Uhr // 13.3., 19 Uhr


Scarface
USA 1983, Brian De Palma, 170 Min., 35mm, DF, mit Al Pacino, Michelle Pfeiffer
In seiner Schilderung von Aufstieg und Fall des kubanischen Einwanderers Tony Montana, der sich in Miami vom Tellerwäscher zum Koks-Millionär hochmordet, modernisierte De Palma den Gangsterfilm der frühen 30er-Jahre. Der Galerie der von Paul Muni, Edward G. Robinson und James Cagney verkörperten klassischen Figuren dieses Genres hat Al Pacino ein unvergessliches Monster hinzugefügt, das sich mit manischem Fleiß und brutaler Gewalt sein eigenes Imperium schafft. Scarface ist ein barocker Bilderexzess (Kamera: John A. Alonzo), der den Zuschauer mit spektakulären Sequenzen in Atem hält und zugleich ein Panorama außerordentlicher Hässlichkeit entfaltet, wie es nur in den Achtzigern möglich war: Inneneinrichtungen, Klamotten und Wandtapeten direkt aus der Konsumhölle.
13.3., 21.15 Uhr, Einführung: Peter Clasen // 17.3., 19 Uhr

Body Double
USA 1984, Brian De Palma, 114 Min., 35mm, DF, mit Craig Wesson, Melanie Griffith
Vier Jahre nach seinem umstrittenen Meisterwerk Dressed to Kill schuf Brian De Palma 1984 das kalifornische Gegenstück zu seinem New-York-Slasher. Der Tod kommt zweimal spielt in Los Angeles, in der Movie-Community, was De Palma die Gelegenheit gibt, noch mehr als in seinen anderen Werken mit doppelten Böden zu arbeiten. Schon der Vorspann gaukelt einen ganz anderen Film vor, doch der furchterregende Vampir, der sich aus seinem Grab erheben soll, ist in Wahrheit ein erfolgloser Schauspieler, der an Klaustrophobie leidet. Jake (Craig Wasson) wird daraufhin gefeuert. Nach einem weiteren Tiefschlag – seine Freundin betrügt ihn – scheint sich das Blatt aber zu wenden: Ein neuer Bekannter verschafft ihm eine Traumwohnung mit einem wahrhaft spektakulären Ausblick. Jeden Abend kann Jake durch ein Fernglas eine Traumfrau bei ihrem erotischen Ritual beobachten. Bis eines Nachts ein finsterer Typ mit einem großen Bohrer auftaucht … Mit Body Double hat De Palma einen perfekten Film über das Kino gedreht, zitattrunken, voyeuristisch, brutal, spannend – und sehr sexy.
18.3., 21.15 Uhr, Einführung: Marcus Müntefering // 19.3., 21.15 Uhr //
23.3., 21.15 Uhr


Phantom of the Paradise
USA 1974, Brian de Palma, 92 Min., Bluray, OF, mit William Finley, Paul Williams, Jessica Harper
Ein Film aus der Zeit, als Musik noch mit der Hand gemacht und auf schwarze, runde Vinylscheiben gepresst wurde. Manchmal aber geraten auch Fremdkörper in die Plattenpresse, zum Beispiel Menschenköpfe. Doch selbst solche Zwischenfälle können einen skrupellosen Produzenten wie Swan (Paul Williams), Inhaber der Plattenfirma „Death Records“ und des titelgebenden Musikclubs „Paradise“, nicht beirren. Auf der Suche nach dem neuen Sound betrügt und intrigiert er ohne Rücksicht auf Verluste und verkauft sogar seine Seele (an wen wohl?). Doch in dem jungen, ehrgeizigen Komponisten Winslow Leach (William Finley) stößt er auf einen Gegner, der nicht so leicht aus dem Weg zu räumen ist. Hauptdarsteller Williams schrieb auch die Musik zu diesem kreischbunten Horror-Popspektakel. Der Abgesang auf die überdrehte Glitterrockszene brachte ihm eine Oscar-Nominierung.
25.3., 21.15 Uhr, Einführung: Hans-Arthur Marsiske // 27.3., 21.15 Uhr

Die Unbestechlichen
USA 1987, Brian De Palma, 119 Min., 35mm, DF, mit Kevin Costner, Sean Connery
Elliot Ness (Kevin Costner) vs. Al Capone (Robert De Niro): Die uramerikanische Geschichte des fast aussichtslosen Kampfes einer Hand voll aufrechter Gesetzeshüter gegen das organisierte Verbrechen machte De Palma mit seinem unverwechselbaren visuellen Stil und jeder Menge toller Plansequenzen zu einem der Smash Hits der späten 80er. Als aufrechter irischer Cop Jim Malone stahl Sean Connery in einer seiner schönsten Rollen den beiden Hauptkontrahenten die Schau, das Drehbuch von David Mamet sorgte für die nötige historische und erzählerische Dichte, der Score von Ennio Morricone hält wie der gesamte Film gekonnt die Balance zwischen Eleganz und Bombast.
30.3., 21.15 Uhr, Einführung: Marcus Müntefering // 31.3., 19 Uhr

Im April geht es weiter mit Casualties of WarBonfire of the Vanities, Raising Cain, Carlito’s Way, Mission: Impossible, Snake Eyes, The Black Dahlia, Redacted und Passion (Programm hier)

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